Hauswirtschaft und Instagram
Als Teil der Arbeitsgruppe Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung in der Konzertierten Aktion Pflege setzt die Profession der Hauswirtschaft geschlossen und proaktiv für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ein und bringt sich dabei in ihrer Rolle als wichtiges Bindeglied zwischen der medizinischen Versorgung und den zu Pflegenden in Position.

Im November meldete sich der Deutsche Hauswirtschaftrat (DHWiR) mit sechs Forderungen zur von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigten Reform der Pflegeversicherung. Mit Blick auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege, fordert der DHWiR darin im Namen aller hauswirtschaftlichen Verbände Deutschlands einen stärkeren Fokus auf die interprofessionelle Zusammenarbeit von Pflege und Hauswirtschaft und die Sicherung dieser in einer Aktualisierung im SGB XI. Der Fokus liegt dabei v.a. auf der Stellenbemessung und der erforderlichen Fachlichkeit der Hauswirtschaftskräfte. Damit kann die Pflege von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten entlastet und die Versorgung bzw. Betreuung von Pflegebürftigen auch im stationären Bereich von Krankenhaus und Pflege- bzw. Altenheim im Care-Umfeld optimiert werden.
Vorausgegangen war dem die Teilnahme von Expertinnen des DHWiR in der Arbeitsgruppe 3 Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung in der Konzertierten Aktion Pflege (KAP), mit der die Bundesregierung gemeinsam mit den relevanten Playern des Sozialsystems konkrete Maßnahmen für verbesserte Arbeitsbedingungen in der Pflege entwickelt hat und in die Umsetzung bringen will.
HCM hat mit Sigried Boldajipour, Präsidentin des DHWiR über die künftige Rolle der Hauswirtschaft in Pflegesettings im stationären Umfeld, die Bedeutung der Betriebskultur und der Haltung gegenüber Hauswirtschaft in Einrichtung und deren Potenzial für verbesserte Bedingungen für die Pflege und den zu Pflegenden gesprochen.
Frau Boldajipour, warum ist die Integration der Hauswirtschaft in das Gesetz der Pflegeversicherung so wichtig?
Boldajipour: Mit der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung 1995 wurden die Leistungen der Hauswirtschaft in der Altenpflege sukzessive reduziert, die Pflege zur Hauptleistung erklärt und als solche ausgestaltet. Dass die Leistungen der Hauswirtschaft eine wichtige Voraussetzung sind, um überhaupt pflegen zu können wurde nicht wahrgenommen. In stationären Settings ist die strikte Trennung von Pflege und Hauswirtschaft und die Reduktion auf Verpflegung, Hausreinigung und Wäschepflege zu beobachten. Diese Entwicklung hat ein reduziertes Dienstleistungsverständnis etabliert, das dazu geführt hat, dass viele in der Hauswirtschaft vorhandenen Kompetenzen nicht zum Einsatz kommen.
Wie kann die Hauswirtschaft die Pflege auf multiprofessionller Fachkräftebasis konkret im stationären Umfeld unterstützen?
Boldajipour: Einen ersten Ansatzpunkt haben wir mit dem Deutschen Pflegereat (DPR) im gemeinsamem Grundsatzpapier „Anforderungen, Leistungen und Qualifikationen von Hauswirtschaft und Pflege in unterschiedlichen Settings“ erarbeitet. Darin haben wir uns auf Schnittstellen fokussiert und herausgearbeitet, wo die Hauswirtschaft konkret für Entlastung sorgen und gleichzeitig eine Aufwertung erfahren kann. Im Setting Krankenhaus ist der Hygienebereich ein extrem wichtiger Bereich, in dem speziell ausgebildtete Hauswirtschaftskräfte unterstützen können. Einen wichtigen Beitrag zur Steigerung von Lebensqualität von zu pflegenden Menschen kann die Hauswirtschaft im Setting stationärer Pflegeeinrichtungen leisten. Hauswirtschaft kommt mit der neuen Ausbildungsordnung im Care-Bereich eine tragende Rolle zu, während die Pflege auf den Cure-Bereich fokussiert ist. Care-Bereich meint dabei im Grunde alles, was mit der Tagesgestaltung zu tun hat und kann an den Therapiebereich angrenzen. Es gibt bereits Untersuchungen die zeigen, dass hauswirtschaftliche Leistungen einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität und des Wohlbefindens liefern. Hauswirtschaftliche Mitarbeitende sind häufig sogar näher an den zu Pflegenden. Ist die Zusammenarbeit zwischen Hauswirtschaft und Pflege gut, können z.B. Anzeichen auf gesundheitliche Veränderungen früher erkannt werden. Dafür braucht es aber gut ausgebildete Fachkräfte, die auf allen Ebenen zusammenarbeiten.
Sie meinen damit auch auf Leitungsebene, richtig?
Boldajipour: Ja. Bei unserer Arbeit in der KAP haben wir gesehen, dass wir noch sehr viel Informationsarbeit leisten müssen – auch auf Verbandsebene und in der Politik. Dort herrscht wie in vielen Führungsebenen von Einrichtungen noch häufig rudimentäres Wissen über die Hauswirschaft und ihren Nutzen.
Es braucht also eine Veränderung des Mindsets gegenüber der Hauswirtschaft?
Boldajipour: Ob und wie gemeinsam mit der Hauswirtschaft an einer optimierten Versorgung und der Entlastung der Pflege gearbeitet wird, ist in der Praxis oft eine Frage der Betriebskultur. Es gibt durchaus Einrichtungen, bei denen diese interprofessionelle Zusammenarbeit gut gelingt und auch bei den Patienten und Bewohnern auf Zuspruch stößt. Aber dafür muss die Führungsebene zunächst den Mehrwert sehen. Eine gesetzliche Grundlage wäre eine grundlegende Stellschraube dafür. Genauso wichtig sind aber auch verbindliche fachliche Anforderungen. In den Einrichtungen sollte die wichtige Funktionen der Hauswirtschaftsleitung immer mit einer hauswirtschafltichen Betriebsleitung besetzt sein. Da zu viele Mitarbeitende in der Hauswirtschaft geringqualifizierte oder ungelernte Kräfte sind, brauchen wir dort mehr hauswirtschaftliche Fachkräfte.
Wie sehen die nächsten Schritte des DHWiR aus?
Boldajipour: Wir starten 2021 mit einer groß angelegten Informationskampagne. Parallel planen wir eine Qualifizierungsinitiative mit der wir die Ausbildung und Weiterqualifizierung in der Hauswirtschaft vorantreiben möchten. Dafür unterstützen wir auch das Kompetenzzentrum Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen (PQHD) an der Hochschule Fulda, das ein Konzept zur Weiterqualifizierung für Menschen entwickelt hat, die bereits in der Hauswirtschaft tätig sind oder dort arbeiten möchten und ggf. einen Berufsabschluss anstreben. Außerdem steht unser zweiter Deutscher Hauswirtschaftskongress an, der im Frühjahr 2022 stattfinden soll.
Damit ist die Stunde der Hauswirtschaft jetzt?
Boldajipour: Auf jeden Fall. Wir zeigen, positioniern uns und beraten. Der DHWiR wurde genau zum richtigen Zeitpunkt gegründet und kann die Hauswirtschaft nun mit einer klaren und fachlich fundierten Stimme vertreten. Das Gespräch führte Bianca Flachenecker.
- Im SGB XI muss künftig auch die Sicherung der Hauswirtschaft genannt werden.
- Um eine adäquate Versorgung sicherstellen zu können, muss eine multiprofessionelle Fachkräftebasis mit der Hauswirtschaft aufgestellt werden.
- Qualität und Mindeststandards sind auch für die hauswirtschaftlichen Betreuung und Versorgung festzulegen.
- Es müssen mehr Personen für die Hauswirtschaft gewonnen, ausgebildet und weitergebildet werden.
- Dem Mangel an hauswirtschaftlicher ambulanter Versorgung muss entgegengewirkt werden, Anbieter und Kunden von Betreuungsdiensten brauchen mehr Förderung.
- Für die Hauswirtschaft ist eine Fachkraftquote festzulegen.