Interview mit Britta Lippmann „Die Freiheiten überwiegen“

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Digitalisierung und Fort- und Weiterbildung

Entwicklungen, Erkenntnisse und technische Innovationen erfordern Fortbildungen. Auch Gesetzesänderungen sowie immer neue Vorschriften und Unterweisungen verlangen eine stetige Weiterqualifizierung. Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg nutzen seit diesem Sommer das Relias-Lernmanagementsystem. Erste Erfahrungen.

Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg haben im Sommer damit begonnen, die E-Learning-Lösungen von Relias Learning zu implementieren (siehe Ausgabe 7-8 2017, Seite 20 f.). Über diese Onlineplattform können die Mitarbeiter seither Fortbildungen absolvieren. Britta Lippmann, im Haus für die interne Fortbildung verantwortlich, erklärt die Beweggründe und die zu überwindenen Hürden.

HCM: Frau Lippmann, warum haben Sie sich in Ihrem Haus für das Weiterbildungsformat E-Learning entschieden?

Lippmann: Rund 50 Prozent unserer etwa 1.200 Mitarbeiter sind in Teilzeit beschäftigt. Schon durch die Gesetzgebung sind verschiedene Unterweisungen einmal jährlich gefordert. Dazu kommen hauseigene Betriebsvereinbarungen. Für viele bedeutete das früher, dass sie zu vorgeschriebenen Zeiten anwesend sein mussten. Dies führte im Extremfall dazu, dass Mitarbeiter bis zu fünfmal jährlich für Unterweisungen in die Klinik kommen mussten, ohne dass sie die Termine mit dem Dienst koppeln konnten. Das war für alle unbefriedigend. Mit dem E-Learning können die Mitarbeiter nun den größten Teil der Fortbildungen zeitlich und örtlich unabhängig absolvieren.

HCM: Sie nutzen die Lösungen von Relias Learning. Was hat Sie bei diesem Anbieter überzeugt?

Lippmann: Es ist nicht einfach, den richtigen, ins Budget passenden Anbieter zu finden. Unsere Klinik ist Mitglied im ­„Clinotel Krankenhausverbund“, der hier als Verhandlungspartner die Konditionen aushandelte. Eine Arbeitsgruppe erstellte für die Auswahl einen Kriterienkatalog. Mit Relias Learning wurde eine Plattform gefunden, die diesem Katalog vollumfänglich entsprach: Ein Mindestangebot an Pflichtfortbildungen. Die Inhalte können individualisiert werden. Eigene Inhalte können eingepflegt werden. Module werden durch Experten erstellt und zertifiziert. Zudem besteht ein „First-Level-Support“. Und, auch sehr wichtig, die Handhabung ist selbsterklärend und bedarf nur einer geringfügigen Einweisung.

HCM: Wie haben die Mitarbeiter auf die Umstellung reagiert?

Lippmann: Vor allem die Ärzte haben sie mit Begeisterung aufgenommen, da sie ihren Pflichtunterweisungen fortan unabhängig vom Tagesgeschäft nachkommen können.

HCM: Welche Kurse bzw. Module werden den Mitarbeitern angeboten?

Lippmann: Der Schwerpunkt liegt v.a. bei den Pflichtunterweisungen. Für das kommende Jahr planen wir aber auch eigene Schulungen, z.B. zu den Themen Zytostatika und Transfusionen.

Zusätzlich sind alle Präsenzveranstaltungen für das Jahr 2018 eingepflegt, sodass sich die Mitarbeiter über das Programm anmelden können. Über Veränderungen werden die Mitarbeiter sofort per E-Mail informiert.

HCM: Was sind die Vorteile des E-Learnings, v.a. für die Mitarbeiter?

Lippmann: Die zeitliche und örtliche Unabhängigkeit: Mitarbeiter können immer und überall auf ihre Schulungen zurückgreifen. Das Programm speichert den Fortschritt, so dass auch Unterbrechungen möglich sind. Und die Transparenz: Für alle ist nachvollziehbar, wann sie welche Schulung absolviert haben. Bei der Anzahl von Veranstaltungen kann man schon einmal den Überblick verlieren.

HCM: Aber ist nicht auch direktes Feedback bzw. Interaktion notwendig?

Lippmann: Dafür gibt es für jeden Bereich eine Fachkraft als Ansprechpartner. Fragen können so direkt geklärt werden. Zudem ist es oftmals mit einer Unterweisung nicht getan. Im Brandschutz muss z.B. auch eine Vor-Ort-Unterweisung stattfinden. Hier können Mitarbeiter auch direkt Fragen persönlich klären.

HCM: Bieten Sie in Ihrem Haus auch noch Präsenzveranstaltungen an?

Lippmann: Im kommenden Jahr werden wir sie noch zu allen Themen anbieten. Dann lassen wir sie allmählich ausschleichen. Bei diesen Veranstaltungen werden den Mitarbeitern der Umgang mit dem E-Learning-Modul und evtl. Zusatzveranstaltungen erklärt. Zu bestimmten Themen wird es jedoch weiterhin Präsenzveranstaltungen geben. Beispiele sind die Reanimation oder die Kommunikation.

HCM: Wie verknüpfen Sie die Präsenzveranstaltungen und das E-Learning?

Lippmann: Ein Beispiel ist die Arbeitsschutzunterweisung. Neben der allgemeinen muss eine arbeitsplatzbezogene Unterweisung stattfinden. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit hat hierfür ein Konzept erarbeitet. 2018 erfolgt die allgemeine Unterweisung parallel zum E-Learning. Hinzu kommen Vor-Ort-Unterweisungen. Die Inhalte werden aufeinander abgestimmt. Die Vorlage von Relias wird durch unsere spezifischen Informationen ergänzt. Die arbeitsplatzbezogene Unterweisung bezieht sich auf das Schwer­punkt­thema. Wir versprechen uns von dieser thematischen Verknüpfung eine hohe Akzeptanz in der Praxis.

2020 wird es dann keine Präsenzveranstaltungen mehr geben. Die allgemeine Unterweisung erfolgt dann über die Onlineplattform, verknüpft mit der arbeitsplatzbezogenen Unterweisung. Hierfür wird vom Anbieter ein „Lehrplan“ angeboten, der es ermöglicht, die Verknüpfung für den Mitarbeiter anzulegen und die Nachweisbarkeit der Absolvierung zu ermöglichen.

HCM: Wie fällt das Feedback der teilnehmenden Mitarbeiter bisher aus?

Lippmann: Der Tenor ist sehr positiv. Die beschriebenen Freiheiten überwiegen. Ich habe noch keine Stimme der Ablehnung  gehört.

HCM: Gibt es Unterschiede zwischen den Nutzern? Tun sich z.B. Ältere mit digitalem Lernen schwerer als Jüngere?

Lippmann: Es gibt Unterschiede. Die sind aber weniger dem Alter als vielmehr der Sprach­kompetenz zuzuordnen. Viele Ältere nutzen das Modell gerne, da sie den jahrelang geforderten Präsenzveranstaltungen entkommen und die Kurse nun selbstbestimmt absolvieren können. Menschen mit Migrationshintergrund tun sich jedoch schwer. Hier haben wir mit den Führungskräften gesprochen. Sie prüfen die Schwierigkeiten in der Praxis, um dann abteilungsspezifische Lösungen zu erarbeiten. Da sind wir aber noch nicht sehr weit.

HCM: Auf welche Hürden sind Sie in der Praxis noch gestoßen?

Lippmann: Der Zugang zu digitalen Medien ist nicht immer leicht. Viele Mitarbeiter haben keinen PC-Arbeitsplatz oder sie haben dort nicht die notwendige Ruhe. Derzeit prüfen wir den Bedarf an Tablets. Da jedoch auch Smartphones verwendet werden können, warten wir erst einmal die Rückmeldungen ab.

HCM: Was sind Vorteile des Relias- Lernmanagementsystems?

Lippmann: Die hohe Transparenz. Der Vorgesetzte kennt den Lehrstand in seiner Abteilung. Der Mitarbeiter kann sich über das System für Präsenzveranstaltungen anmelden und erhält sofort eine Rückmeldung, ob es klappt oder ob er auf einer Warteliste steht. Der Vorgesetzte wird direkt über diese Anmeldung informiert und kann dies im Dienstplan berücksichtigen. Das Berichtssystem ermöglicht zudem abteilungsspezifische Auswertungen, z.B. über Lernfortschritte der Mitarbeiter.

HCM: Würden Sie anderen Einrichtungen diese Plattform empfehlen?

Lippmann: Sie ist einfach zu bedienen und bietet viele Optionen der Individualisierung. Lernbezogene Dokumenten­verwaltung schafft Transparenz und hält die Unterlagen präsent. Daher kann ich das Angebot empfehlen. Jedoch habe ich keine Erfahrung  mit anderen Anbietern. 

HCM: Was sollten die Verantwortlichen der innerbetrieblichen Fortbildung bei der Umstellung im Blick haben?

Lippmann: Es verlangt, dass man den Mitarbeitern zuhört, individuelle Probleme erfasst und Lösungen sucht. Mit dem Betriebsrat ist z.B. vereinbart, dass wir zunächst für ein halbes Jahr die Etablierung und Akzeptanz testen, bevor eine Betriebsvereinbarung die Handhabung festschreibt. Da wurden einige Diskussionen geführt, z.B. wie die Anerkennung als Arbeitszeit zu handhaben ist, wenn ein Mitarbeiter die Module in seiner Freizeit absolviert. Das ist spannend, zeigt dies doch, dass wir gemeinsam an einem Ziel arbeiten!

HCM: Smartphones und Co. gehören ja heute zu unserem Alltag. Würden Sie sagen, dass bedingt durch die Digitalisierung gerade ein Wandel der Bildungslandschaft stattfindet?

Lippmann: Die Bildungslandschaft wird sich durch die Digitalisierung verändern. Mit der betrieblichen Implementierung der Onlineplattform haben wir diese Form des Lernens in den Alltag von Menschen gebracht, die bisher keinen Kontakt damit hatten. Bisher war dies v.a. den Hochschulen und Weiterbildungsstätten vorbehalten. Jetzt platzieren wir sie in den beruflichen Alltag der Mitarbeiter. Nicht der Mitarbeiter wählt das System, sondern das System wählt den Mitarbeiter – eine Herausforderung mit ungeahnten Möglichkeiten.

HCM: Stellt die Digitalisierung in der Bildung auch einen Schlüssel für mehr Individualisierung dar?

Lippmann: Auf jeden Fall. Im traditionellen Bildungssektor findet die Individualisierung bisher wenig Beachtung. Lernen ist dann ein Thema, wenn der Lehrer, der Dozent oder eine Institution es so bestimmt. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Die Digitalisierung ermöglicht, dass wir uns selbstbestimmt und eigenverantwortlich Wissen aneignen können.

HCM: Eine letzte Frage. Was bedeutet für Sie lebenslanges Lernen? Ist dieser Begriff zukünftig mehr als wie so oft nur eine „leere Worthülse“?

Lippmann: Ich arbeite seit fast 20 Jahren in der Erwachsenenbildung und habe das nie als leere Worthülse gesehen. Unsere Veranstaltungen wurden von Menschen aller Altersstufen besucht und sie haben unabhängig vom Alter meistens mit Erfolg abgeschlossen. Der Begriff bekommt aber sicher eine andere Dimension. Es werden andere  Hirnareale angesprochen. Lebendiges Lernen mit einer hohen Medienkompetenz wird in den Vordergrund rücken und Lernen ganz sicher leichter machen. Ich freue mich darauf!

Das Interview führte Ivonne Rammoser.

Britta Lippmann

  • Britta Lippmann hat von 1990 bis 1993 die Ausbildung zur Krankenschwester im Bethesda-Krankenhaus in Stuttgart absolviert, wo sie anschließend als Krankenschwester tätig war. Von 1995 bis 1999 studierte sie Pflege- und Gesundheitswissenschaft an der evangelischen Hochschule Darmstadt.
  • Seit 1999 ist Lippmann in den Kreiskliniken Groß-Umstadt tätig, zunächst in der Pflegedienstleitung mit dem Schwerpunkt Fort- und Weiterbildung. Seit 2009 ist sie Leitung Personalentwicklung in der Personalabteilung.
  • Kontakt: b.lippmann@kreiskliniken-dadi.de