Newsblog Das war der Deutsche Pflegetag 2020

Der erste rein digitale Deutsche Pflegetag. HCM berichtete im Newsblog von der Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung sowie dem AltenpflegeSPEZIAL. V.a. eine Äußerung von Jens Spahn sorgte am Ende der Veranstaltung für Diskussionen.

Deutscher Pflegetag 2020
Der Deutsche Pflegetag 2020 fand aufgrund der Corona-Pandemie im November statt März statt. – © Screenshot Deutscher Pflegetag

*** Hinweis: Dieser Artikel wird laufend aktualisiert. Für Updates nach unten scrollen. Letzte Aktualisierung am 13.11.2020, 10:30 Uhr ***

Eröffnung des Deutschen Pflegetags 2020: Videobotschaft von Angela Merkel

Der usprünglich Mitte März geplante 7. Deutsche Pflegetag wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf den 11. und 12. November verschoben. Erstmals findet die Veranstaltung im digitalen Livestream statt, dabei übernahmen die heutige Begrüßung die Moderatoren Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen und Patricia Drube, Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein KdöR. Eine Videobotschaft zur Eröffnung sendete Bundeskanzlerin Angela Merkel, die betonte „Gute Pflege braucht gute Rahmenbedingungen“ und dabei auf die Konzentrierte Aktion Pflege einging.

Wie diese Rahmenbedingungen aussehen können, erläuterte Dr. h.c. Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), in seiner berufspolitischen Rede. Eindringlich schilderte er den Zuhörern die aktuelle Lage vieler Pflegekräfte: Sie wurden als systemrelevant erkannt, sind aber kaum in politischen Gremien selbst vertreten. Die Digitalisierung könnte viele Pflegende entlasten, doch noch liegt der Fokus auf Medizin. „Hier hinkt Deutschland hinterher“, warnt Wagner.

Auch kritisierte Wagner scharf, dass Pflegende u.a. 2018 einen Aufruf an die Politik starteten, in dem sie ihre Lage öffentlich machten, doch bis heute wenig passiert sei. Daher müssen laut Wagner neue Versorgungsformen auf den Weg gebracht werden und Pflegende müssen qualifizierte Mitsprache in politischen Gremien und in der Selbstverwaltung erhalten. Denn nicht zuletzt die Pandemie mache die seit Jahren bestehenden Probleme sichtbar, es gilt zudem laut Wagner sich auf kommende Pandemien besser vorzubereiten.

Aufzeichnung der Eröffnungsveranstaltung ansehen (Start der Moderation ab Zeitstempel 32:40)

„Raise your Lamp“: Florence Nightingale besucht Pflegende im 21. Jahrhundert

Zudem wurde der digitale Pflegetag kurzzeitig zum Kino: Wagner begann seine Rede mit einer Filmpremiere. In „Lady With The Lamp“ unternimmt Florence Nightingale, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr Anlass für das Jahr der Pflegenden und Hebammen war, eine Zeitreise. Am Ende dieser Reise steht der Appell „Raise Your Lamp!“ und tretet für euch ein.

AltenpflegeSPEZIAL: Verlässliche Dienstpläne und zufriedene Mitarbeiter

Heute findet im Rahmen des Deutschen Pflegetages 2020 zum ersten Mal das AltenpflegeSPEZIAL statt – mit Unterstützung der LOTTO-Stiftung Berlin und in Zusammenarbeit mit dem BGW forum. Ein ganzer Tag für die Altenpflege – vollgepackt mit Vorträgen, Einblicken und Diskussionen. In fachspezifischen Vorträgen beantworten ReferentInnen Fragen und teilen Erfahrungen zum gesunden Dienstplan, dem Umgang mit Aggressionen , Trauer und Verlust in der Altenpflege und vieles mehr. Zum Programm

Zum Auftakt gab Heidi Krampitz, Gründerin der Unternehmensberatung Compass Consulting, Impulse für eine gesunde Dienstplangestaltung. Denn Pflegekräfte kritisieren, laut Organisationsberaterin, i.d.R. nicht den Schichtdienst an sich, sondern die fehlende Verlässlichkeit der Arbeitszeiten. Denn viele Mitarbeiter springen häufig spontan aus dem Frei ein, was zu Unzufriedenheit und Teamkonflikten führen kann. Zudem wird der „wackelige Dienstplan“ häufig mit fehlender Wertschätzung gleichgesetzt.

Krampitz empfiehlt daher Arbeitsspitzen zu entzerren, denn reine Wunschdienstpläne führen laut Expertin nicht zu mehr Gerechtigkeit und Zufriedenheit. Wünsche sind zwar zentral, doch sollte die Dienstplanung v.a. auf die Bewohner abgestimmt sein. Basis hierfür schaffe die Hinterfragung des aktuellen Tagesablaufs z.B. in gemeinsamen Workshops mit dem Team.

Und in der Beteiligung der Mitarbeiter liege auch der größte Schatz. Denn die Pflegenden wissen selbst am besten, was die Bewohner brauchen. In Workshops können sie den Arbeitsalltag reflektieren und erkennen selbst was sie ändern möchten. Kann man z.B. Essenszeiten flexibler gestalten und an die Bewohner anpassen? Diese Teilhabe an den neuen Strukturen schaffe die notwendige Akzeptanz im Team. Außerdem sollte die neuen Strukturen für alle Bereiche gedacht werden, wie die Hauswirtschaft und das Reinigungspersonal. Zur Aufzeichnung des Vortrags

AltenpflegeSPEZIAL: Wie viele Pflegende brauchen wir?

Mit dem Pflegestärkungsgesetz II beauftragte der Gesetzgeber die Pflegeselbstverwaltung, ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur bundesweit einheitlichen Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen entwickeln und erproben zu lassen. Denn gegenwärtig kommt es zu bundesweit unterschiedlichen Personalschlüsseln, die in den Rahmenverträgen landesspezifisch festgelegt werden. Am 30. Juni 2020 hat die Universität Bremen unter Leitung von Prof. Dr. Heinz Rothgang das Vorhaben abgeschlossen, ein geeignetes Personalbemessungsinstrument zu entwickeln. Die Tendenz: Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher die Anforderungen an die Qualifikation.

In einer Diskussion stellte sich Rothgang Fragen zu seinem Vorgehen – und Kritik. Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik (Universität Witten/Herdecke) bemängelte u.a. das eingesetzte „Shadowing“, also das Begleiten von Pflegenden durch wissenschaftliche Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag. Diese Methode vernachlässigt laut Bartholomeyczik die Steuerung des Pflegeprozess, multidisziplinäre Fallbesprechungen und Anleitungszeit von Pflegefachpersonen. Und gerade die Anlernzeit wird steigen, sollte das Personal in den Einrichtungen tatsächlich steigen.

Auch das Kernziel der stationären Langzeitpflege, Selbstständigkeit so lange wie möglich erhalten, kommt laut Bartholomeyczik in der Studie zu kurz. „Es muss eine große inhaltliche Veränderung in der Altenpflege geben“, fordert die Pflegewissenschaftlerin. Dazu könnten laut Studie Modelleinrichtungen beitragen sowie neue Personalstrukturen. „Auch die Zahl des Personals muss steigen“, erklärt Bartholomeyczik, „aber das ‚Wie‘ ist die entscheidende Frage, doch dazu trägt die Studie nicht viel bei.“

Ein genauer Zeitpunkt für die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens steht noch nicht fest. Jedoch erfolgt die Einführung in Stufen , denn erst wird mehr Personal benötigt – und das braucht Zeit. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass nur weil ein Gesetz es festschreibt, man auf einmal 20.000 Mitarbeiter mehr beschäftigen kann“, erklärt Mit-Diskutantin Patricia Drube (Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein). Zur Aufzeichnung der Diskussion

AltenpflegeSPEZIAL: Mit Trauer umgehen

Trauer gilt als negativ, doch sie ist eine gesunde Reaktion auf einen erlittenen Verlust, wie Manuel Schweichler erläutert. Der Heilpraktiker für Psychotherapie steht Menschen als Trauerbegleiter zur Seite und erklärt: „Trauer ist nicht mit Traurigkeit gleichzusetzen, denn Traurigkeit ist ein vorherrschendes Gefühl im Moment und der Anlass kann ganz unterschiedlich sein.“ Gerade in Seniorenheim, gibt es viele Anlässe zur Trauer. Bewohner, die den Verlust ihres eignen zu Hauses verarbeiten müssen, die vielleicht sogar bereits Angehörige verloren haben. All das kann in der Einrichtung zu Tage treten und vielfältige Formen der Trauer hervorrufen.

Vergessen wird laut Schweichler häufig die Trauer der Pflegenden , denn Bewohner sind zwar keine Angehörige, aber trotzdem vertraute Personen. Zur Trauerbewältigung beitragen kann u.a. eine regelmäßige Supervision, aber auch die persönliche Arbeit an der eigenen Trauerkompetenz. Hier kann u.a. helfen:

  • Verluste aufschreiben: wen habe ich bereits verloren? Wen werde ich noch verlieren? Was hat mir geholfen und was hat mich getröstet? Und was stand mir im Weg meine Gefühle zu verarbeiten?
  • Rituale einführen: Nach der Arbeit Duschen oder die Kleidung wechseln, einen anderen Weg nach Hause nehmen oder Laufen, statt die Bahn zu nehmen. Ein Abweichen von der Routine kann bei der Trauerbewältigung helfen.

„Trauernde brauchen offene Ohren, auch wenn die Geschichte mehrfach erzählt wird“, erklärt Schweichler – und das gilt für Bewohner und Pflegekräfte.

Abschlussveranstaltung mit Jens Spahn

„Pflege ist das zentrale Thema der 20er Jahre“, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, „die Zusatzbelastung durch die Pandemie macht Probleme sichtbar, die vorher bereits da waren“. Daher fordert der Minister, dass nicht mehr länger zu Lasten der Pflegenden gespart werden sollte. Zudem soll nächstes Jahr ein neues Gesetz die Digitalisierung der Pflege vorantreiben.

Für heftige Diskussionen sorgte nach der Veranstaltung die Äußerung Spahns, dass im Notfall auch positiv getestete Pflegekräfte weiter arbeiten müssen .

Bei der Abschlussveranstaltung des Deutsche Pflegetages stellte sich Spahn zudem Fragen der Zuschauer, u.a. nach der Zukunft der Klinikfinanzierung. Diese sollte laut Spahn künftig durch einen Anteil steuerlich finanziert werden. Denn Pflege beinhaltet gesamtgesellschaftliche Aspekte. „Diese Debatte werden wir jetzt und in den 20er Jahren führen“, so der Bundesminister.

Auch stellte sich die Frage, wie die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden können, um wieder patientenorientiert zu pflegen. Ein „Henne-Ei-Problem“ für Spahn, denn viele steigen aus der Pflege aus (oder gar nicht erst ein) aufgrund der Arbeitsbedingungen. Doch diese können sich nur verbessern, wenn sich (Ex-)Pflegende für eine Arbeit am Patienten entscheiden. „Wir müssen zeigen, dass wir nicht nur Strohfeuer zünden und kurzfristige Maßnahmen ergreifen, sondern das Vertrauen wiedergewinnen, damit die Bereitschaft da ist, sich wieder auf den Pflegeberuf einzulassen.“

Weitere Fragen der Zuschauer und Antworten des Bundesgesundheitsministers in der kompletten Aufzeichnung .