G-BA
Der aktuelle Geschäftsbericht des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) liegt vor. Aus dem breiten Aufgabenfeld des G-BA konzentriert sich der Bericht auf Themen mit unmittelbarer Versorgungsrelevanz für gesetzlich Versicherte sowie Neuerungen für Leistungserbringer.
Der G-BA hat Ende Juli 2022 seinen Geschäftsbericht zum Jahr 2021 veröffentlicht – mit einem durchaus differenzierten Blick. Laut Dr. Christian Igel, Geschäftsführer der Geschäftsstelle des G-BA, sei 2021 „in besonderem Maße durch Neubeginn und Kontinuität gekennzeichnet“ gewesen. Weiterhin herausfordernd habe sich auch die Corona-Pandemie gezeigt – allein 60 Beschlüsse sind im G-BA allein zur Corona-Pandemie gefallen, die Sonderregelungen mussten mehrfach verlängert werden.
Strukturierte Behandlungspfade für chronisch kranke Menschen
2021 wählte der G-BA mit der Rheumatoiden Arthritis bereits die zehnte Erkrankung aus und definierte inhaltliche Programmdetails für ein passendes Disease-Management-Programm (DMP). Das neue DMP richtet sich an erwachsene Patientinnen und Patienten mit der gesicherten Diagnose „Rheumatoide Arthritis“. Die koordinierte Betreuung soll eine bestmögliche Therapie sicherstellen und Spätfolgen wie die Zerstörung der Gelenke minimieren oder verhindern. Seit dem 1. Oktober 2021 ist das DMP in Kraft. Sobald die Verträge zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenhäusern dazu abgeschlossen sind, können sich Versicherte in das DMP einschreiben lassen.
Ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV)
2021 hat der G-BA die ASV für zwei weitere Krankheitsbilder neu gestaltet:
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und
- Tumore des Gehirns und der peripheren Nerven.
Mittlerweile gibt es 18 ASV-Themen, aber nicht zu allen schließen sich ausreichend viele Leistungserbringer zu ASV-Teams zusammen. Woran das liegt, untersucht das vom Innovationsfonds geförderte Forschungsprojekt GOAL ASV. Im Frühjahr 2022 soll es laut G-BA Ergebnisse dazu geben. Der G-BA will diese nutzen, um mögliche Hürden für die ASV-Teambildung zu finden und gezielt auszuräumen.
Das G-BA-Geschäftsjahr 2021 im schnellen Überblick
- 8 Erprobungsstudien zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wurden bis Ende 2021 auf den Weg gebracht.
- 146 frühe Nutzenbewertungen von Arzneimitteln führte der G-BA 2021 durch.
- 347 Anträge und Ideenskizzen sind auf Förderbekanntmachungen des beim G-BA angesiedelten Innovationsausschusses im Jahr 2021 eingegangen.
- 9 Leistungen gibt es, zu denen der G-BA bislang Mindestmengenregelungen festgelegt hat.
Neue Verordnungsleistungen
Durch einen G-BA-Beschluss entfällt bei einigen Reha-Leistungen die medizinische Prüfung durch die Krankenkassen. Außerdem können bestimmte Heilmittelbehandlungen per Video angeboten werden. Ebenso ist eine Krankschreibung per Video möglich.
Mehr Wirkstoffe denn je, dank früher Nutzenbewertung
Seit 2011 prüft der G-BA alle neu in Deutschland verfügbaren Arzneimittelwirkstoffe auf ihren Zusatznutzen. Damit wird abgeklärt, wie groß die mit ihnen erzielbaren Therapiefortschritte für Patientinnen und Patienten wirklich sind. Diese Informationen sind wichtig für Behandlungsentscheidungen und haben Einfluss auf die Preisgestaltung. Mit 146 Bewertungen verzeichnete der G-BA bei dieser Aufgabe 2021 eine Rekordzahl.
Insgesamt fünfmal konnte der G-BA 2021 neu zugelassenen Wirkstoffen einen erheblichen Zusatznutzen attestieren und damit die beste Kategorie vergeben. Darunter befindet sich die Wirkstoffkombination Ivacaftor/Tezacaftor/ Elexacaftor/Ivacaftor zur Behandlung von Mukoviszidose (zystischer Fibrose) bei Patientinnen und Patienten ab zwölf Jahren für zwei unterschiedliche genetische Ausprägungen. Ebenfalls als erheblich stufte der G-BA den Zusatznutzen für den Wirkstoff Nusinersen bei einer bestimmten Patientengruppe ein, die an der seltenen Erbkrankheit spinale Muskelatrophie (SMA) leidet.
Der Anteil der Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs) lag 2021 bei 19 Prozent und damit auf vergleichbarem Niveau wie in früheren Jahren. Mit Remdesivir bewertete der G-BA das erste antivirale Arzneimittel gegen Covid-19. Im Ergebnis können erwachsene Covid-19-Patientinnen und -Patienten, deren Lungenentzündung noch nicht sehr schwer ist, von einer Behandlung mit diesem Wirkstoff profitieren. Aufgrund von Unsicherheiten bei den anwendbaren Therapiealternativen und der teils heterogenen Studienlage wurde das Ausmaß des Zusatznutzens allerdings nur als gering eingestuft. Weitere antivirale Arzneistoffe befanden sich 2021 noch im Zulassungsverfahren.
G-BA hat 2021 für eine Zunahme der Kombinationstherapien bei Onkologika gesorgt
38 Prozent der neu zugelassenen Wirkstoffe sind Onkologika; die Krebsmedizin ist damit das Therapiegebiet mit der größten Zahl an Innovationen. Dabei setzte sich ein schon länger erkennbarer Trend fort: Viele Krebstherapeutika werden nicht nur als Monotherapien verwendet, sondern kommen schon bald nach ihrem Markt[1]eintritt auch in offenen Zwei- oder Dreifachkombinationen zum Einsatz. Für all diese Kombinationen müssen die Hersteller jeweils eigene Zulassungen beantragen und der G-BA anschließend den Zusatznutzen bewerten. Da die kombinierten Wirkstoffe in der Regel neu und hochpreisig sind, wirkt diese Entwicklung insgesamt preissteigernd. Ein Beispiel für den Einsatz von Kombinationstherapien ist das Multiple Myelom. Allein im Jahr 2021 wurden zur Behandlung dieser Krankheit vier Dreifachkombinationen aus sechs bereits bekannten Wirkstoffen neu zugelassen und vom G-BA bewertet. Diese Kombinationen greifen in verschiedenen Krankheitsphasen; ihr Zusatznutzen fällt sehr unterschiedlich aus und wächst nicht immer proportional mit dem Preis.
Auf dem Weg zur EU-weiten Arzneimittelbewertung
Neue Arzneimittel werden künftig auf Basis europaweit einheitlicher Bewertungsberichte auf ihren Zusatznutzen überprüft. Eine gemeinsame klinische Bewertung, auf die dann alle Mitgliedsstaaten zurückgreifen können, wird ab 2025 schrittweise zur Verfügung stehen. An der Vorbereitung der Verfahrensschritte und Ausgestaltung der methodischen Standards ist auch der G-BA beteiligt.
Das HTA-Verfahren (Health Technology Assessment) soll durch die neue EU-Verordnung einheitlich und verbindlich werden. Wie es im Detail aussehen wird, erarbeitet ein Konsortium aus 13 Mitgliedsorganisationen. Der G-BA und das IQWiG sind Teil dieses Konsortiums. Sie arbeiten dort eng mit HTA-Agenturen aus Spanien, Österreich, Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Irland, Ungarn, Norwegen, Schweden und den Niederlanden zusammen. Die gemeinsame klinische Analyse der Studien auf EU-Ebene wird die nationalen Nutzenbewertungen nicht ersetzen, sondern diesen vorgeschaltet. Sie muss als zentrale und einheitliche Quelle künftig verpflichtend in die Bewertungen einbezogen werden. Die Schlussfolgerungen zum Mehrwert der neuen Wirkstoffe und auch die Preisbildung selbst bleiben aber weiterhin in nationaler Verantwortung.
G-BA 2021: Zweitmeinungsverfahren ausgeweitet
Haben Patientinnen und Patienten vor bestimmten planbaren Eingriffen Zweifel, ob eine empfohlene Operation wirklich nötig ist, können sie dazu eine zweite Meinung einholen. Seit 2021 besteht diese Möglichkeit auch vor Wirbelsäulenoperationen und vor Amputationen beim diabetischen Fuß. Damit gibt es nun sechs Eingriffe, bei denen dieses ärztliche Vieraugenprinzip als GKV-Leistung nutzbar ist. Auch vor der Implantation eines Herzschrittmachers oder vor einer elektrophysiologischen Herzuntersuchung und dem Veröden von krankhaften Herzmuskelzellen (Ablation) soll künftig eine zweite ärztliche Meinung eingeholt werden können. 2021 nahm der G-BA zu beiden Themen die Arbeit auf.
G-BA bereitet Patientenbefragungen vor
Fünf von bald 18 datengeschützten Qualitätssicherungsverfahren des G-BA sind derzeit mit Patientenbefragungen geplant.
Ab voraussichtlich Juli 2022 werden erstmals Patientenbefragungen in der datengestützten Qualitätssicherung (QS) erprobt, und zwar zu diagnostischen und therapeutischen Herzkathetereingriffen (Perkutane Koronarintervention und Koronarangiographie). Der G-BA wird dabei drei verschiedene Fragebögen einsetzen, je nachdem, ob ausschließlich untersucht, ausschließlich behandelt oder beides in einem Eingriff kombiniert wurde. Im Jahr 2027 will der G-BA die Erfahrungen auswerten und wo nötig nachjustieren; so ein Beschluss vom 16. Dezember 2021. Wissenschaftlich entwickelt hat die Fragebögen das IQTIG und mit Patientinnen und Patienten in einem Pretest u.a. auf Verständlichkeit geprüft.
Den vollständigen G-BA-Geschäftsbericht 2021 finden Sie mit einem Klick hierauf.