Diversity
Immer mehr Einrichtungen positionieren sich öffentlich gegen Rassismus, Sexismus und die Diskriminierung von Minderheiten. Aber auch hinter den Kulissen wird viel für die transkulturelle Kompetenz getan.
Vom 15. bis 28. März 2021 fanden die internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Vereine, Parteien, Gewerkschaften, Stiftungen, Universitäten, und Kommunen zeigten in Seminaren, Vorträgen, Vorlesungen oder Online-Filmfestivals Flagge gegen Rassismus und Ausgrenzung. Ein klares Bekenntnis gegen Diskriminierung kommt auch aus dem deutschen Gesundheitswesen. So bekannte sich z.B. auch die Uniklinik Köln mit dem Motto „Hand in Hand gegen Diskriminierung“ für Vielfalt und Offenheit. In der Öffentlichkeit, auf dem Campus, auf den Internetseiten und auch im hausinternen Intranet wurde deutlich gemacht, dass Rassismus und Diskriminierung hier keinen Platz haben.
Offene Unternehmenskultur
Eigentlich wollte die Kölner Uniklinik noch viel mehr Farbe bekennen: Für die Christopher-Street-Day-Demonstration (CSD), die 2020 pandemiebedingt abgesagt wurde, war eine Teilnahme mit eigenem Wagen geplant. Damit wollte die Klinik der Vielfalt ein Gesicht geben und diese Offenheit auch der Stadt präsentieren. „Es ist nicht nur für unsere Mitarbeitenden wichtig, sich in einer offenen Unternehmenskultur entfalten zu können, das Gleiche möchten wir auch in die Bevölkerung senden“, sagt Dennis Nano, der in der Kölner Uniklinik als Pflegedienstleitung arbeitet. Das Thema Homosexualität wird gesellschaftlich inzwischen anders wahrgenommen, als noch vor ein paar Jahren. „So gesehen hat sich für Lesben, Schwule oder Transgender in der Pflege einiges verbessert. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir noch nicht am Ende sind“, sagt Nano und verweist darauf, dass die sexuelle Orientierung nach wie vor nicht in Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes aufgenommen ist.
Das Recht auf Vielfalt gilt nicht nur für Angestellte einer Klinik, sondern auch für die, die dort behandelt werden. Nano hat Pflegewissenschaften studiert und seinen Master in Pflegemanagement gemacht. „Kultursensible Pflege für Lesben und Schwule im Krankenhaus – Eine Aufgabe des Pflegemanagements„, hat er seine Arbeit genannt, die auch als Buch veröffentlicht wurde. Darin geht es u.a. um den Umgang mit lesbischen oder schwulen Patientinnen und Patienten. Es sei noch immer so, dass sich homosexuelle Paare in Alltagssituationen häufig unwohl fühlen, erklärt Nano, dass sie es vermeiden sich zu umarmen oder die Hand zu halten aus Angst vor herabwürdigenden Reaktionen Anderer. Mit „noch immer“ meint Nano, die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen in Deutschland unter dem § 175 .
„Ein 80-jähriger schwuler Mann hat unter Umständen die gesamte Bandbreite der gesetzlichen Diskriminierung in Deutschland erlebt, weiß wie es ist, unter einem Strafrechtsparagraphen zu leben und sich zu verstecken.“ Nano nennt das Biografiearbeit, die auch Teil seiner Weiterbildungen ist. Er gibt u.a. Fort- und Weiterbildungen für Praxisanleiterinnen und -anleiter in der Pflege. Darin werden Wege aufgezeigt, wie Vielfalt in die Arbeit integriert werden kann. „Wir haben Vielfalt und Toleranz in unserem Leitbild verankert. Aber am Ende bringen Einzelpersonen das Thema nach vorne und es ist wichtig, dass sie Leute haben, für die es ein Herzensthema ist.“
Status schlägt Abstammung
Für das Überwinden von Vorurteilen und das Anerkennen gesellschaftlicher Vielfalt kämpft auch Dr. Rabi Raj Datta. Er ist Facharzt für Viszeralchirurgie in der Kölner Uniklinik. Die Frage nach seiner Herkunft ist die, die ihm wohl am häufigsten gestellt wird. „Ich sage dann immer, dass ich aus Kassel bin, obwohl ich natürlich weiß, worauf die Menschen hinauswollen. Wenn sie dann nachfragen, sage ich schon, dass meine Eltern aus Indien kommen, ich mich aber, in Kassel geboren und aufgewachsen, als Kasselaner sehe.“
Die meisten, die ihn nach seiner Herkunft fragen, tun das aus reinem Interesse, da ist sich Datta sicher. Rassistische Anfeindungen hat er selbst im Berufsleben noch nicht erlebt, was seiner Meinung auch daran liegen könnte, dass er Arzt ist. Status kann hier die Abstammung schlagen. „In anderen Berufszweigen kann das anders sein, z.B. in der Pflege oder im Service“, berichtet Datta. Kolleginnen und Kollegen, die dabei sind Deutsch zu lernen oder mit Akzent sprechen, würden des öfteren mit Vorurteilen und Ängsten von Seiten der zu Behandelnden konfrontiert, z.B. nicht adäquat behandelt zu werden. Anders herum könne es auch zum Problem werden, wenn Patientinnen oder Patienten, die schlecht oder gar nicht deutsch sprechen, von medizinischem Personal nicht angemessen behandelt werden.
Um das zu vermeiden, gehöre das Thema Diversity ins Studium, sagt Datta. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Köln und der Uniklinik hat er die „ Taskforce for Diversity in Medical Education“ gegründet. Diese hat einen Fragebogen erstellt, der sich an Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinstudierende weltweit richtet und in einem ersten Schritt das Ausmaß von Diskriminierung in der Medizin dokumentieren soll. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, Diskriminierung bereits im Studium zu bekämpfen. Belastbare Ergebnisse der Umfrage erhofft sich Datta in einem Jahr.
Mit Instagram in die Öffentlichkeit
Durch Bewegungen, wie #metoo oder #blacklivesmatters haben Diversity-Themen mehr Aufmerksamkeit bekommen. In der Gesellschaft hat ein Umdenken stattgefunden, ist sich Sandra Warren sicher. Warren ist Gleichstellungsbeauftragte an der Universitätsmedizin Essen (UME) und hat mit ihrer Kollegin Louisa Stratmann einen Instagram-Account gestartet, dessen Inhalte sich aus den Bereichen Diversity, Gleichstellung und Informationen des Mitarbeiter Service Büros der UME zusammensetzen. „Es ist geplant, unsere Mitarbeitenden schnell und unkompliziert über Themen wie Elternzeit oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu informieren aber auch potenzielle neue Mitarbeitende können sehen, welche Projekte wir in dem Bereich umsetzen“, sagt Diversity-Managerin Stratmann. Und Warren ergänzt: „Das Zusammenspiel verschiedener Menschen, Kulturen und Nationen in unserer Branche ist von unschätzbarem Wert. Wir möchten auf Kanälen wie Instagram zeigen, wie wir diese Werte hier leben.“
Trainings gegen Ressentiments
Die UME hat bereits 2019 eine große Kampagne gestartet: „Wir leben Respekt“. Mit Fotos vieler Mitarbeitender und Videointerviews wurde für die Wichtigkeit gegenseitigen Respekts geworben. Die Kampagne wirkt auch nach innen: Es gibt Fortbildungen in denen Mitarbeitende gezielt in verschiedenen Aspekten von Diversity geschult werden. Die Trainings, die angeboten werden, reichen von allgemeinen Diversity- oder interkulturellen Trainings bis hin zu gezielten Anti-Bias-Trainings, in denen unbewusste Denkmuster und Vorurteile sichtbar gemacht werden sollen, um Diskriminierung abzubauen. Stratmann und Warren sind sich sicher, dass Diversity-Management viel dazu beitragen kann.
Und wie ist es abseits der großen Städte mit ihrer toleranten und bunt gemischten Bevölkerung? Wie geht Diversity in einem kleinen Krankenhaus im Süden Bayerns? Sind Ressentiments auf dem Land andere, als in der Großstadt? Oder tiefer verankert? „Nein“, sagt Christoph Köpf, Geschäftsführer der St. Vinzenz-Klinik in Pfronten. „Wir sind ein tolles Team, offen für neue Kolleginnen und Kollegen, egal mit welcher Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Dialekt oder Herkunft“. Den Grundstein der offenen Einstellung sieht Köpf in der ursprünglichen Trägerschaft der Vinzentinerinnen aber auch als nicht mehr kirchlich geführtes Haus, sei das Handeln des Namensgebers, St. Vinzenz von Paul, maßgeblich. Unter dem Motto „St. Vinzenz ist bunt“ wirbt die Allgäuer Klinik gerade um Mitarbeitende und macht in sozialen Netzwerken mit Vielfalt auf sich aufmerksam.
In Toleranz und Integration sind sie hier geübt. Nicht nur durch die vielen zugezogenen Kolleginnen und Kollegen oder die Nähe zu Österreich sind die Menschen im Allgäu weltoffen: „Pfronten selber besteht aus 13 kleineren Ortsteilen“, sagt Köpf augenzwinkernd, „Da kann Integration manchmal schon innerhalb des eigenen Ortes erforderlich sein.“