Strategisch einkaufen Den Einkauf auf eine starke Basis stellen

In der Vergangenheit hat das Thema „Beschaffung“ in zu vielen Krankenhäusern eine untergeordnete Rolle gespielt. Ausgenommen sind die großen Kliniken der höchsten Versorgungsstufe, Universitätsklinika und die Häuser der privaten Ketten. Lesen Sie, wie Sie dem Einkauf in Ihrer Einrichtung die Rolle zukommen lassen, die er verdient.Abbildung: Hierarchisierung des Beschaffungsmanagements.Den Einkauf auf eine starke Basis stellen Bis vor wenigen Jahren wurde der Einkauf meist von zwei bis drei Mitarbeitern abgewickelt - die Beschaffung geschah auf der 3. oder 4. Hierarchieebene. Einkaufsverhandlungen wurden oftmals von Führungskräften der Fachabteilungen, der Pflegedienstleitung, der Verwaltungsleitung durchgeführt. Es fehlten das einkäuferische Fachwissen, der strategische Überblick, oftmals die notwendige Zeit für eine intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema. Mit der Einführung der Modulsysteme wurde eine deutliche Verbesserung in der Abwicklung erzielt. Jedoch waren die Mitarbeiter im Einkauf zumeist nur in ihrer täglichen Arbeitspraxis erfahren, hatten aber kaum das für Einkaufsverhandlungen nötige Know-how. So hingen die Leistung des Einkaufs und der Einkaufserfolg oftmals vom guten Willen der Geschäftspartner oder der Marktsituation ab (z.B. wenn ein neuer Anbieter den Markteintritt schaffen wollte). In der Industrie hat sich unter dem Begriff des „Supply-Chain-Management“ (SCM) ein Einkaufs- und Versorgungsmanagement entwickelt, das viel mehr als nur einen Beschaffungsprozess zwischen Hersteller Kunde regelt. SCM beschreibt die Zusammenarbeit bei Planung, Steuerung und Kontrolle zwischen Lieferanten und Kunden als Partner in einem Netzwerk unternehmensübergreifender Wertschöpfungssysteme. Es gibt aber Unterschiede zum Krankenhaussektor. Unterschiedliche Rahmenbedingungen Wesentliche Besonderheiten finden sich im Krankenhaussektor z.B. in der Gesetzgebung, die Krankenhäuser im Mehrwertsteuerrecht als End„verbraucher“ behandelt. Dadurch kann die Mehrwertsteuer nicht an den Leistungsempfänger weitergereicht werden (bzw. den Kostenträger) und die Krankenhäuser müssen für den gesamten Sachbedarf und einen großen Teil der in Anspruch genommenen Leistungen 7 bis 19 Prozent höhere Preise bezahlen (fehlender Vorsteuerabzug). Der höhere Kostenblock schafft im Krankenhaussektor eine andere Ausgangssituation, z.B. für die Entscheidung, Leistungen oder Sachbedarf selbst zu erstellen oder zu kaufen (Make or Buy). Zu den zu beachtenden gesetzlichen Rahmenbedingungen gehören auch das Arzneimittelgesetz und das Medizinproduktegesetz. Die von diesen Gesetzen ausgehende Haftungspflicht für Krankenhäuser schränkt deren unternehmerische Freiheit deutlich ein und führt z.B. dazu, Medizingeräte nur von Lieferanten mit einer Inlandsvertretung zu beziehen. Der medizinische Betrieb stellt höchste Ansprüche an die zeitliche und örtliche Verfügbarkeit der Güter und das bei einer Vielzahl von zu beschaffenden Gütern aus den unterschiedlichsten Bereichen: Arznei- und Lebensmittel, Texti-lien, Implantate und Einwegverbrauchsmaterial, oftmals Tausende von Artikeln bis zu Investitions- und Gebrauchsgütern. In einem mittleren Klinikum von 400 Betten gibt es häufig eine Artikelliste zwischen 4.000 bis 7.000 Artikeln. Selbst innerhalb des Krankenhaussektors gibt es unterschiedliche Beschaffungsbedingungen. Krankenhäuser, die überwiegend öffentlich finanziert oder kontrolliert werden, unterliegen für sich nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) dem Vergaberecht. Private Ketten haben zentrale Einkaufsstrukturen aufgebaut. Sie müssen keine öffentlichen Ausschreibungen veranstalten und sind ebenso wie freigemeinnützige Häuser wesentlich beweglicher in ihren Entscheidungen. Natürlich unterscheidet sich die Einkaufs- und Beschaffungssituation im Krankenhaus schon durch die Rahmenbedingungen von derjenigen in Industrie und Handel. Trotzdem ist es lohnenswert, die Strukturen und Prozesse im Krankenhaus mit denen in Industrie und Handel zu vergleichen, um herauszufinden, nicht ob, sondern wo vergleichbare Strukturen und Prozesse optimiert werden können. Veränderte Bedeutung und Rolle des Einkaufs Im Zuge der Umwandlung der Krankenhäuser von der Institution der öffentlichen Hand zum Wirtschaftsbetrieb und unter dem Zwang zum Kapazitätsabbau aufgrund einer eingeschränkten Finanzierung im sozialen Bereich wurden schon viele Bereiche des Krankenhausbetriebes auf ihre Verbesserungsmöglichkeiten hin untersucht. Ein wichtiger Impuls kam durch die Einführung von Gedanken zur Prozessorganisation des Betriebes im Gegensatz zur funktionalen Organisation. Es ist nur ein kleiner, aber konsequenter Schritt, nicht nur den Wertschöpfungsprozess innerhalb der Einrichtung zu strukturieren und zu verbessern, sondern auch die vernetzten Prozesse der Supply-Chain unter Managementgesichtspunkten zu betrachten, d.h. zu überlegen, wie die Wertschöpfung auf die Lieferkette erweitert werden kann. Das erfordert strategische Überlegungen, die nur bei einer Zusammenfassung und Zentralisierung der Einkaufs- und Beschaffungsbemühungen sinnvoll zum Ziel führen können. Der Einkauf bekommt damit einen höheren Stellenwert und erfordert eine komplette Neuausrichtung. Die Interaktion zwischen Fachabteilungen, Ärzten, Klinikleitung und dem Einkauf kann nicht nur in eine Richtung gehen. Es muss zum tatsächlichen Informationsaustausch, zur partnerschaftlichen Kooperation kommen und zu einer Neuverteilung der Rollen. Das neue Gewicht des Einkaufs muss begleitet werden von einer höheren Qualifizierung der vorhandenen Mitarbeiter bis hin zur Einstellung von Mitarbeitern mit höherer Qualifikation. Die Rolle der Einkaufsleitung als „Prozess-Owner“ im SCM erfordert eine Trennung der Beschaffung in einen strategischen und einen operativen Bereich, die jeweils unterschiedliche Qualifikationen erfordern. Die Kernaufgaben des operativen Beschaffungsmanagements sind - neben der Anlage und Pflege von Stammdaten in den Programmen der Materialwirtschaft und des Bestellwesens - Auftragsabwicklung, Lieferterminverfolgung, Reklamationen und Retouren, Rechnungsbearbeitung und die Weitergabe von Produktinformationen an die Kunden (Abteilungen). Das strategische Beschaffungsmanagement umfasst v.a. das Lieferantenmanagement, die Erschließung von Einsparpotenzialen durch Marktanalyse, die Bereitstellung von Informationen für die operative Beschaffung, NUB-Anträge, Vergabeverfahren, Aufbau eines Einkaufscontrollings sowie des E-Procurement. Der strategische Einkauf beschäftigt sich im Wesentlichen mit längerfristigen Beschaffungsprozessen und mit der Verbesserung aktuell laufender Rahmenverträge. Er hat den Markt im Blick mit seinen sich verändernden Rahmenbedingungen, stellt die Verbindung her zwischen innerbetrieblichen Kunden und den Lieferanten und sorgt für den Informationsaustausch im Netzwerk in beide Richtungen. Vorteile Zentralisierung Für die Mitarbeiter im Bereich der Beschaffung ergibt sich eine Aufwertung und damit eine Steigerung der Motivation und der Akzeptanz und somit eine bessere Identifikation mit ihrem Aufgabenbereich. Für die Auftragsbearbeitung gibt es klare Strukturen und Verantwortungsbereiche. Für die Kunden gibt es einen besseren Service durch feste Ansprechpartner und verbesserte Erreichbarkeit. Ähnlich wie die Mitarbeiterzufriedenheit steigt auch die Kundenzufriedenheit in den Abteilungen/Kliniken. Für den Gesamtbetrieb ergeben sich neben den „weichen“ Verbesserungen aber auch deutliche kostensparende Optimierungen: Effizienz des Einkaufs, Lieferantenbeziehungen, Versorgung/Belieferung, Kosten der Beschaffung, Lagerhaltung und Materialqualität. Zentralisierung bedeutet auch Schaffung einer Abteilung „Materialwirtschaft und Beschaffung“, die im kaufmännischen Bereich direkt der Geschäftsleitung zugeordnet ist. Neben dem strategischen und dem operativen Einkauf gehören auch das Investitionsmanagement und die Logistik in diesen Bereich. Unter Logistik ist auch das Management der Transporte, das rechtzeitige Bereitstellen von Sachmitteln, Medizingeräten und Leistungen in bester Qualität zu verstehen. Der Aufbau eines strategischen Einkaufs erfordert zunächst eine klare Entscheidung durch die Geschäftsführung, die sich voll hinter das Projekt stellen muss. Falls dies nicht geschieht, wird es im Hintergrund zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Einkauf und den (Fach-)Abteilungen kommen. Die Trennung zwischen dem operativen und dem strategischen Bereich bündelt die Kräfte und führt zu größerer Effektivität. Durch konsequente Weiterbildung und den Auf- und Ausbau der Fähigkeiten der Mitarbeiter muss dem Bedarf nach strukturellen Kenntnissen im Einkauf und in der Marktanalyse Rechnung getragen werden. Der Einkauf wird professionalisiert. Diese Entwicklung muss aber in den Häusern klar und transparent dargestellt werden und das Management der Beschaffung muss nach klar formulierten Regeln erfolgen. Damit wird die Beziehung zwischen den Kunden/Anwendern in den Krankenhäusern und den Lieferanten auf eine neue Basis gestellt. Die Einrichtungen entwickeln gegenüber den Lieferanten eine neue Position: Partnerschaft auf Augenhöhe. Der strategische Einkauf unterstützt und vermittelt dabei mit seiner Erfahrung, seinem Fachwissen und seiner Qualifikation und klarer Sicht auf den Beschaffungserfolg.