Zukunftskrankenhaus Das ethische Fundament des Smart Hospitals

Wenig bewegt die Menschen mehr als die Gesundheit. Leider oft erst dann, wenn sie fehlt, wenn Krankheit, Leiden, gar Tod eine unabweisbare Rolle spielen. Genau dann aber wird Versorgung existenziell sowie in der Zukunft Prävention existenziell werden wird.Zu den wesentlichen Versorgungsträgern gehören ohne Zweifel schon immer Hospitäler als umfassend zu denkende soziale Orte zwischen kühl-kritischem Interesse und warm-gastfreundlicher Menschlichkeit. Früher primär der militärischen Strategie oder Armenpflege dienend, später qua Rationalisierung und Professionalisierung zur modernen Krankenversorgung weiterentwickelt. Dem Grunde nach. Denn auch heute noch sind Krankenhäuser nicht selten eher neofeudalistische, spitzenhierarchische und maskulinitätsgeprägte, dominierte Institutionen. Dass „Krankenhäuser“ in ihrer Altgestalt keine Zukunft haben könnten, ist bedenkenswert, wenn es nicht gelingt, die Hill-Burton-Excel-Realität eines steten Auspendelns von solidarischem Werteanspruch auf beste Versorgung für alle und wirtschaftlicher Knappheitsrealität nachhaltig neu zu gestalten. Diese ökonomische Steuerungsdimension ist die eine Seite. Jene spiegelt sich im medizinischen Spitzenanspruch, mit Recht nichts unversucht zu lassen, menschlich nah und fachlich exzellent zu versorgen, dabei noch effizient zu sein, da auch Verschwendung ethisch nicht neutral zu bewerten ist. Dem Grunde nach muss der ewige Spagat von Ressourcenprekariat und Versorgungsqualitätsanspruch zu schmerzhaften Adduktorenzerrungen führen. Es folgen Sorgen: Vom Management, den Mitarbeitenden aller Berufe in der Klinik und den Patientinnen und Patienten. Und die politische, jahrzehntealte Erkenntnis, dass es nicht planungsrelevante Kliniken geben mag und die Leistungsgruppensystematik und deren Messung reformiert werden sollten (wie in NRW aktuell), bedeutet für Kliniken, nun eine echte Medizinstrategie zu entwickeln. Ebenso, wie das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) für viele Häuser ein Weckruf war, die digitale Transformation ernst zu nehmen. Doch dieses Fundamentallamenti ist zum Glück epochal überwindbar in einer, in hohem Tone formuliert, Klinikutopie. Herausforderung: Klinikutopie heute wagenZukunftskrankenhäuser werden mit einer deutlich veränderten Gesellschaft umgehen müssen. Zum einen mit Patientinnen und Patienten, die erstens weniger stationär, zweitens digitaler und drittens hoffentlich selbstbestimmter agieren werden. Die Klinik wird flexibel, on demand und hochwertig anbieten müssen, um nachhaltig attraktiv zu bleiben. Nur so kommt die Klinik letztlich zu legal und legitim nutzbaren Daten und echten Mehrwerten im Sinne von Patient-Outcome – zumindest dann, wenn die Klinik und die vernetzten Kliniken digital hochtransformiert und effektiv interoperabel sind. Zum anderen wird auch die Arbeitswelt eine andere werden. New Work macht nicht bei Ärzteschaft, Pflegenden, Gesundheitsberufen allgemein oder im Management halt, bloß weil eine Klinik eine gemischtrationale Institution besonderer Art ist. Smart Hospital wird greifbarEine konzeptionell attraktive wie bereits heute vorsorgungsreale Leitidee und damit ein Kandidat für eine Klinikutopie ist das Smart Hospital. Wenn eine im emphatischen Sinne gute Utopie diejenige ist, die bereits im Hier und Jetzt greifbar wird, dann wird sie gesellschaftlich transformativ. Neben den sachbezogenen Elementen dieser Leitidee, wie ein sich veränderndes Leistungsspektrum, besserer Wirtschaftlichkeit und eine nachhaltige Entwicklung, ist dabei v.a. die ethische Fundierung entscheidend. Smart Hospital wäre verkürzt gedacht, würde nicht Smart from the Heart immer grundlegend und unaufgebbar mitartikuliert. Die Chancen der aktuellen und erwartbar kommenden Umwälzungen im Krankenhausquasimarkt sind größer als die Risiken für diejenigen Häuser, die nicht auf die Gefahr des quantitativen Mengenabbaus der Krankenhäuser schauen, sondern den qualitativen Aufbau zu digitalen, vernetzten, aus Patientinnen und Patienten wie Mitarbeitenden (und insgesamt Stakeholder) -perspektive wertschöpfenden, qualitätsfokussierten und gerecht verfügbaren Institutionen verfolgen. Als Guide, Trust-Center, Mentoren-Hub und vieles mehr werden Smart Hospitals zum einen die Krankheitssituationen hochwertig und wirksam in einem umfassenden Sinne heilen, was Zeit für Menschlichkeit deutlich einschließt; zum anderen Präzisionspräventionsinstitutionen, die uns alle als Nicht-immer-Erkrankte oder Noch-nicht-Erkrankte in der vorsorgenden Lebensgestaltung unterstützen. Grenzen, seien es Sektoren oder Industrien, helfen dabei nicht, sondern die Ernstnahme des Smart Hospitals als echtes Zukunftsmodell. Manche Häuser werden regional erfolgreiche Präventionshubs werden, andere digital Maximalversorgende – eine viel leistungsdifferenzierte Landschaft entsteht, was eine gerechte und outcomeorientierte Steuerung erleichtern dürfte. Denn jene wird mehr und mehr abgelöst von einer echten Partnerschaft zwischen allen und den Profis. Es braucht mehr als „digitale Leuchttürme“Nordrhein-Westfalen stellte jüngst 14,2 Millionen Euro für das neue Projekt „SmartHospital.NRW“ zur Verfügung, der Konsortialführer ist das Universitätsklinikum Essen, was seit vielen Jahren vorbildgebend das Smart-Hospital-Leitbild in die Wirklichkeit zu bringen sucht. Dabei ist auch hier deutlich, dass es um einen echten Change geht, um mehr als digitale Leuchttürme, IT-Projekte, eingeworbene Mittel und Innovationsgruppen. Es geht um die echte Weiterentwicklung einer smarten Versorgung mit menschlichem Antlitz, für Jung und Alt. Der Mensch im Mittelpunkt der RevolutionDenn die digitale Transformation darf nicht zu einer gleichsam humanen Transformation werden, was sie, oft nur von klugen Gesellschaftswahrnehmenden bemerkt, bereits heute tut. Menschen haben einen Wertekern, der sie von Wolken, Tieren und Pflanzen abhebt und auszeichnet und in die Pflicht nimmt, auf sich selbst, die Mitmenschen und Wolken, Tiere und Pflanzen zu achten, Verantwortung zu übernehmen. Dass der Mensch „im Mittelpunkt“ gerade der smarten Revolutionen im Gesundheitswesen zu stehen habe, ist ethisch richtig, denn nur er ist moralischer Akteur, Selbstbestimmender und sogar Selbstgesetzgebend. Keine KI kann das und keine KI sollte das je können, denn nicht alles, was technologisch oder auch gesellschaftlich machbar wäre, verdient eine Umsetzung. Da unsere humane Autonomie so wertvoll wie einzigartig ist, die maschinelle Autonomie allerdings mehr oder weniger ante portas, ist gerade unter dem infungiblen ethischen Grunddiktum der Medizin eine weitere Fokussierung auf eine dann eben digital akzelerierte Ökonomie keine legitime Option. Ökonomie und Digitalisierung gehören an ihren Platz Ökonomie wie auch Digitalisierung sind keine ethischen Probleme; so lange sie auf ihren Platz verwiesen sind, Dienende zu sein. Kant ist nicht voller Bewunderung und Ehrfurcht vor maximierten Gewinnen und Megaversen erschaudert, sondern vor der edlen Eigenschaft des Menschen, selbst im Angesicht der unendlichen Weite des natürlichen Universums als moralisches Wesen ausgezeichnet zu sein. Dies bedeutet aber nicht und keineswegs, dass Technik nicht als human gestaltete Technik, Business nicht als gutes Business gesellschaftlich wünschenswert und sinnvoll wären. Im Gegenteil. Nur kommt es auf die Rahmengebungen an, ob ein „Eid“ es richten kann, um „Ethics by Design“ bereits in der Entwicklung digitaler Lösungen für das Gesundheitswesen sicherzustellen, mag dahingestellt bleiben; eine überkomplexe Datenschutzbürokratie und rechtliche Unterbestimmung jedenfalls helfen wenig, auch wenn das Grundanliegen völlig richtig ist, freier Datenverkehr und verantwortliche Nutzung zu ermöglichen und Privatheit als soziale Option zu erhalten. Viel Dialog ist notwendig, gerade in der digitalen Medizin und Gesundheitswirtschaft. Die Ethik-Ellipse Smart Hospital sucht und führt beispielhaft diesen Dialog im Kontext der Smart-Hospital-Initiativen der Universitätsmedizin Essen. Aufklärung zweiter Potenz steht bevor Die Zukunft der Medizin, mithin der institutionellen Medizin, kann nur vom Menschen her und auf den Menschen hin erfolgreich gedacht und gestaltet werden. Die Möglichkeiten der digitalen wie ökonomischen Transformation bieten historische Chancen für eine nicht kollabierende, sondern florierende solidarische Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau. Eine Art Aufklärung zweiter Potenz im Gesundheitsbereich steht bevor. Ethik, Werte, Menschlichkeit, Nähe und Gastfreundschaft werden die wesentlichen Gestaltungsprinzipien sein müssen, aus ethischen wie eben auch aus marktlichen oder quasimarktlichen Gründen. Denn das Smart Hospital wird alles das sein, was wir alle wohl immer schon von einem Krankenhaus erträumt haben.

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