Controlling
Das Controlling in Healthcare-Einrichtungen befindet sich im Wandel. Corona-Pandemie und Digitalisierung erweitern den Verantwortungsbereich und sorgen für eine neue Rolle mit zusätzlichen Anforderungen. Wo die größten Veränderungen stattfinden und was sich konkret verändern wird, zeigte der Controller-Tag in Potsdam deutlich.

„Das strategische und operative Controlling wird künftig an Bedeutung gewinnen.“ Darin dürften Thomas Lemke, dem Vorstandsvorsitzenden der Sana Kliniken AG, der größte Teil des Klinikmanagements in Deutschland und auch des Krankenhaus-Controllings zustimmen. Im Eröffnungsinterview mit Prof. Dr. Björn Maier, Vorsitzender des DVKC e.V., erläuterte Lemke u.a. künftige Erwartungen ans Controlling und wies darauf hin, dass das Controlling heute eine immense Verantwortung trägt, v.a. wenn es darum geht, Führungskräfte bei Entscheidungen zu unterstützen. „Wir neigen manchmal dazu alles besser zu wissen. Da darf sich das Controlling selbstbewusst zeigen und als widersprüchlicher Partner auftreten“, sagte Lemke.
Mit fortschreitendem Digitalisierungsprozess und im Setting der Corona-Pandemie hat sich das Controlling in den vergangenen Monaten bereits stark verändert. Arne Hutmacher, Leiter FB organisatorisch-strategisches Projektmanagement, KKRN Katholisches Klinikum Ruhrgebiet Nord, fasste die Veränderungen wie folgt zusammen:
- von langfristigen Fragestellungen mit Mehrjahresdatengrundlage zu kurzfristaussagen auf unsicheren Datengrundlagen,
- von Standard-Reporting zu Ad-hoc-Anfragen,
- von einer Halbwertszeit von Aussagen von zumeist bis Jahresende zu einer Halbwertszeit auf wenige Wochen,
- von einer mittelfristig erforderlichen Antwortzeit zu kurzfristig erforderlicher Antwortzeit.
Damit sei das Belegungs- und Personal-Controlling, das tagesaktuelle Infektionscontrolling in den Vordergrund gerückt. Das Verweildauer-Controlling sowie das Pflege-Controlling seien weiterentwickelt worden. Daneben setzt sich das Controlling am KKRN mit weiteren pandemiebegleitenden Maßnahmen auseinander. Dazu gehörten laut Hutmacher z.B. das Reichweiten-Controlling für Material, Medizin-Controlling und dabei die Änderung des MDK-Reform-Gesetzes und Strukturprüfungen sowie der Bindung von Ressourcen für Förderprogramme wie das KHZG. Hutmachers Tipp nach den Erfahrungen KKRN: „Flexible Werkzeuge bringen hier den Wettbewerbsvorteil!“
So steht es um das Pflege-Controlling
„Hat die Pflege das Controlling ignoriert oder das Controlling die Pflege?“ Diese Frage stellte Kathrin Leffler, Pflegedirektorin des Unfallkrankenhauses Berlin, und bezog sich damit auf den Status quo der bis zur Corona-Pandemie in vielen Krankenhäuser abgezeichnet habe. Mit dem Pflegepersonaluntergrenzengesetz (PpUGV) sei diese Situation nun eine andere. Gesetze wie dieses habe in Kombination mit der fortschreitenden Corona-Pandemie dazu geführt, dass Pflege aus Controlling-Sicht keine „Black-Box“ mehr ist. Dennoch sieht Leffler hier noch einiges an Nachholbedarf. „Wir brauchen nicht nur die intrinsische Motivation sich mit Pflege-Controlling zu beschäftigen sondern auch eine mittlere Führungsebene, die Zahlen versteht und Kennzahlen mitentwickeln kann“, erklärte Leffler. Nur so könne eine positive Veränderung entstehen. Diese könne zudem unterstützt werden, indem man z.B. effektives Ausfallmanagement betreibe. Dazu brauche es allerdings zunächst eine Analyse sowie abgeleitet daraus die passenden Instrumente wie
- gestaffelte Auszahldienste oder
- einen Mitarbeiterpool
- Personalplanung via Software und
- Leihpersonal.
MVZ – lukratives Geschäftsmodell oder vorprogrammierter Verlust?
Die Zahl der Klinik-MVZ ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Viele Einrichtungen wollen so vom Link zwischen ambulanter und stationärer Versorgung aus einem Guss profitieren. Doch nicht immer geht die Rechnung auf. Dabei ist laut Susanne Müller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes MVZ, „Verlust nicht gleich kein Erfolg“. Sie empfiehlt Betreiber, sich mit den großen Fehlerkomplexen auseinanderzusetzen. Einer davon sei „Ignoranz“. Soll heißen: Wenn es keinen MVZ-Geschäftsführer gibt, braucht das MVZ in jedem Fall eine Führungsebene die angenommen und akzeptiert wird und auch Basis von fachlicher Kompetenz die richtigen Entscheidungen treffen kann. Ebenso sollten die unterschiedlichen Lebenswelten von Klinik und MVZ bedacht werden, in dem auch im Management aus der Perspektive der einzelnen Ärztinnen und Ärzte gedacht werde.
Rainer Böhm, Geschäftsführer des MVZ ANregiomed, leitet 5 MVZ, die in kommunaler Trägerschaft sind. Zielsetzung des Unterhalts der MVZ sei hier die Sicherstellung der Versorgung im flächenmäßig größten Landkreis Bayerns, der auf eine Überalterung der Gesellschaft und der Ärzteschaft stößt. So wolle man mit den MVZ aber zugleich die eigene Wirtschaftlichkeit und Existenz sicher und Investitionen absichern können. Besonders wichtig dabei ist laut Böhm „das Miteinander“ zwischen den Behandelnden in den MVZ und den Kliniken.
3 Tipps für MVZ-Controlling in kommunalen Krankenhausstrukturen
- Steuerung (zu Beginn) mit wenigen relevanten Kennzahlen ausreichen
- Verständnis entwickeln für die Grundlagen und Mechanismen der KV-Abrechnung
- Daten der Leistungsabrechnung als Grundlage weiterer Auswertungen
Gegenwart und Zukunft: HL7-FHIR
Prof. Sylvia von Thun, Direktorin Institut für E-Health und Interoperabilität der Stiftung Charité, wagte den Blick in das Krankenhaus 2025. Eine wichtige Rolle auf dem Weg dorthin spiele die Interoperabilität, die auch im Fokus der KHZG-Reifegradmessung stehe. „Egal welches Vorhaben Sie im Krankenhaus angehen, jedes hat mit Interoperabilität zu tun“, erklärte von Thun. Interoperabilität heiße v.a. Kommunikation und Abstimmung unterschiedlicher Stakeholder – beides Faktoren, die Interoperabilität so schwer mache. Eine wesentliche Rolle dabei bietet der HL7-FHIR-Standard.
Krankenhauspolitik kurz vor der Veränderung?
Die Gesundheitspolitik war in Person von Erwin Rüddel, MdB, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, digital zugeschaltet. Laut Rüddel brauche es eine „Finanzierungs- und Strukturreform“. Aktuell stehe man vor einer der großen Herausforderung der Unterfinanzierung der Krankenhauslandschaft – man müsse zusehen, dass die Häuser „finanziell ordentlich ausgestattet“ seien. Das Geld, das Krankenhäusern derzeit von den Ländern vorenthalten werde, müsse finanziert werden. Wenn andere dabei für die Länder einspringen, käme man nicht umhin, den Krankenkassen mehr Mitspracherecht zu geben.
Dr. Gerald Gaß, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), machte deutlich, dass es auch von Seiten der DKG „kein Weiter-so geben werde“, stattdessen brauche es eine grundlegende Veränderung in der Politik. „Wir erklären uns aktiv dazu bereit aktiv am Transformationswechsel teilzunehmen“, erklärte Gaß. Dafür müsse die Politik die Einsicht gewinnen, dass es keine geordnete Veränderung geben wird, solange sich die Politik nicht darauf vereinbare, wie Gesundheitsversorgung ausgestaltet werden soll.
Goldenes Jahr – für wen?
Gaß machte in seiner Rede deutlich, dass mit dem Vorwurf seines Vorredners Dr. Wulf Leber, Abteilungsleiter Krankenhäuser des GKV-Spitzenverbandes, 2020 sei für Krankenhäuser ein goldenes Jahr der Finanzierung gewesen, ganz und gar nicht übereinstimmt. Vielmehr spricht er vom goldenen Jahr der Krankenkassen, „weil sie faktisch weniger Geld ausgegeben haben“. Dabei werfe er den Kassen aber keinen Betrug vor. Es handle sich um die Konsequenzen der Regelungen des Rettungsschirmes, der aber in keinem Fall für goldene Zeiten in den Krankenhäusern gesorgt hätte.
Investitionsförderung auf neue Beine stellen
Prof. Dr. Günther Neubauer, Direktor Institut für Gesundheitsökonomik, macht zum Abschluss des Controller-Tages 2021 einen Vorschlag für eine neue Investitionsfinanzierung: „Wir geben den Krankenkassen und den Krankenhäusern mehr Möglichkeiten sich über Investitionskosten stärker auszutauschen. Heißt: Die Krankenkassen verhandeln mit Krankenhäusern auf den Basisfallwert aufgerechnet über Investitionszuschläge auf Basis von kollektiven Verhandlungen.“ Weil aber bei kollektiven Verhandlungen immer der Schwächste den Ton angebe, gebe es damit keine Entwicklung. Und so geht Neubauer einen Schritt weiter und schlägt Folgendes vor: „Die Krankenhäuser bekommen ein Recht auf einen Investitionsaufschlag auf die jeweilige KH-Rechnung.“ Das sei machbar, wenn man dem System der Pflegeversicherung anwende. Das wiederum heißt: Der Investitionsaufschlag wird auf die Patienten pro Krankenhaustag umgelegt. Sind diese bereit zu bezahlen, kann sich das Haus weiterhin tragen, wandern die Patienten dagegen weiter ab, ohne das Haus vor Ort zu unterstützen, hätte jeder Kommunalpolitiker das Recht, das jeweilige Haus zu schließen. Ob die Zukunft tatsächlich solche Szenarien bringt, wird sich zeigen, jedenfalls ist sich Neubauer sicher, dass es eine Restrukturierung brauche und die Digitalisierung inklusive Einbindung der Ambulantisierung brauche. Krankenhäuser bräuchten mehr Rechte; auf das Handeln der Politik zu warten, reiche nicht.