Hospitation in kanadischem Krankenhaus CM als selbstverständliches Handlungskonzept

Das Handlungskonzept des Case Managements (CM) ist seit einigen Jahren im deutschen Gesundheitswesen Gegenstand einer Diskussion, die sich mit effizienzsteigenden Effekten auf die klinikinternen Prozesse beschäftigt. Da das CM in Kanada bereits wesentlich länger etabliert ist, zog unsere Autorin Bettina Otterstedt aus, um in Toronto das Konzept in der Praxis kennenzulernen.Im St. Michael’s Hospital in Toronto hospitierte Bettina Otterstedt bei der Präsidentin des kanadischen Berufsverbandes der Case Manager.CM als selbstverständliches Handlungskonzept Vor dem Hintergrund der geänderten Abrechnungsmodalitäten (DRG) mit den Krankenkassen und den daraus resultierenden verkürzten Krankenhausverweildauern soll CM aber auch eine auf die individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der Patienten ausgerichtete Hilfeplanung, z.B. die der nachstationären Versorgung, sicherstellen. Praktische Erfahrungen mit Case Management sind im deutschen Gesundheitswesen erst seit kürzerer Zeit möglich. Ein beruflicher Kontakt zu Case Managern, die ihre Strategien über einen lange dauernden Zeitraum erproben und modifizieren konnten, ist somit hierzulande derzeit nicht möglich. Da im Ausland (z.B. USA, Schweden, Frankreich und Kanada) über einen längeren Zeitraum Erfahrungen mit dem Einsatz von CM gesammelt werden konnten, bot es sich an, die dort erprobten Strategien näher anzusehen. Dank der Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung konnte die Autorin in Toronto eine vierwöchige Hospitation bei der Präsidentin des kanadischen Berufsverbandes der Case Manager (NCMN) realisieren. CM seit 20 Jahren etabliert CM wird in Kanada seit zwanzig Jahren intensiviert angewendet und wurde 2002 von Health Canada im Romanow-Bericht landesweit als verbindliches Handlungskonzept im Gesundheitswesen empfohlen. Die Indikationen für den Einsatz von CM in Kanada sowie die konkreten Handlungsabläufe orientieren sich im Wesentlichen an den Vorgaben der Case Management Society of America (CMSA). Diese sind wiederum die Grundlage für die Arbeitsweisen des CM in Deutschland, die besonders von der Deutschen Gesellschaft für Care- und Case Management (DGCC) vertreten werden. Als zertifiziertem Case Manager und Mitglied der DGCC waren mir somit die Inhalte und Arbeitsweisen der kanadischen Case Manager geläufig. Das St. Michael’s Hospital (SMH) in Toronto (Ontario) ist ein katholisches Haus, das jedoch staatlich geführt und verwaltet wird. Leitlinie für Akutfälle CM kommt am SMH in Toronto immer da zum Einsatz, wo für das Klientel eine hochkomplexe Fallsituation mit einem erheblichen Versorgungs- und Nachsorgebedarf besteht und wo eine hohe Akteursdichte im Einsatz ist. Als Leitlinie gilt hier „acute care needs case management“. Daraus resultiert, dass CM in vielen Abteilungen zum Einsatz kommt. So hospitierte ich u.a. in den Disziplinen Hämatologie, interdisziplinäre Gastroenterologie, Neurochirurgie, Innere Medizin sowie Stroke Unit/Neurologie. In der Regel haben die Case Manager am SMH in eigenen schriftlichen Präsentationen, z.B. in Stellenbeschreibungen, ihre Tätigkeit transparent gemacht. Im alltäglichen Umgang wird das Potenzial des Case Managements von den Akteuren angefragt und in vollem Umfang genutzt ( z.B. Kommunikation, Beratung, Dokumentation, Organisation). „This patient needs further case management“ - lautete eines morgens die Ansage einer der leitenden Oberärztin. Dieses Statement zeigt, wie selbstverständlich CM als verbindliches Handlungskonzept in Toronto etabliert ist. Tägliche Gesamtanalyse Die Case Manager dokumentieren täglich in speziell entwickelten Datenbanken die aus den Visiten und Besprechungen gewonnenen Informationen über die Patienten. Danach beurteilen sie - in Absprache mit den ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Teams - die Situation im Bezug auf die Notwendigkeit einer weiteren akutmedizinischen Versorgung, den Verlauf der Behandlung sowie die Entlassungsfähigkeit in Form eines „continuums“. Somit gibt es täglich eine aktualisierte Gesamtanalyse der spezifischen Situation. Diese bildet die Grundlage für eine vorausschauende Planung, z.B. für die Entlassungsplanung. Dieses Vorgehen des CM ist derzeit hier in Deutschland nicht standardisiert. Die Daten dienen als Grundlage zur statistischen Ermittlung von Verweildauern, zur Kalkulation der nötigen Akut- sowie Intensivbetten, sie liefern transparente Informationen, die für alle zugänglich sind. Dadurch sind Abläufe frühzeitig transparent, Fehler und Brüche in der Behandlung können rechtzeitig erkannt werden. Letztlich dienen sie aber vor allen Dingen dazu, passgenaue Lösungen für den Einzelfall vorausschauend zu planen. Da die Case Manager im Klinikalltag zentral positioniert sind, gewährleisten sie die im CM als wichtig erachtete Funktion einer „Drehscheibe“ (vgl. Wendt 2001). Diese Funktion stellt eine verlässliche Kommunikation sicher und hilft dabei, dass die Fallführung in einer Hand liegt. Dieser Umstand ist auch von Bedeutung im Rahmen der nachstationären Weiterversorgung der Patienten. Hier bleiben die Case Manager als Ansprechpartner zuständig. Sie stellen nachhaltig die nötigen Informationen bereit. Im Falle einer Wiederaufnahme ins Krankenhaus, z.B. auch in die tagesklinische Behandlung, sind sie die ersten Ansprechpartner. Da in Kanada das Gesundheitswesen nach volkswirtschaftlichen und nicht – wie in Deutschland üblich – primär nach betriebswirtschaftlichen Kriterien betrieben wird, gilt es, Effizienz und Effektivität möglichst konsequent zu steigern bei gleichzeitiger Sicherung einer hohen Versorgungsqualität. Eine hohe fachspezifische Spezialisierung des Personals sowie eine gute Datenlage bilden die Grundvoraussetzungen für effiziente und effektive Versorgung im kanadischen Gesundheitswesen. Die enge Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden mit den verantwortlichen Akteuren des Gesundheitswesens (u.a. auch dem CM) hat dabei einen nachhaltigen Effekt auf Effizienz und Effektivität. Die möglichst lückenlose Datenerhebung sowie die enge Vernetzung der unterschiedlichen Instanzen des Gesundheitswesens zählen zu den wichtigsten Faktoren bei der Optimierung im kanadischen Gesundheitswesen. Das Case Management ist hierbei stark positioniert und nimmt eine wichtige Position in diesem Prozess ein. Da in Deutschland seit dem Jahr 2004 mit der Umstellung auf Vergütung durch DRG eine Effektivitäts- und Effizienzsteigerung immer dringlicher geworden ist, wäre es sicher auch für das deutsche Gesundheitswesen chancenreich, Case Management verstärkt einzusetzen, und dessen Potentiale voll auszuschöpfen.

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