Digitalisierung
ChatGPT sorgt für Begeisterung und Unsicherheit zugleich. Mit Blick auf den Einsatz im Gesundheitswesen und z.B. Krankenhäusern ist vom einem großen Potenzial auszugehen. Doch neue Open-AI-Technologien werfen einen alten und noch ungelösten Zwist auf.

Aktuell vollzieht sich ein Hype um Künstliche Intelligenz (KI). ChatGPT heißt dabei ein digitales Sprachmodell der kalifornischen Firma „OpenAI“, das auch medial größte Beachtung findet. Und auch Alphabet mit dem Technologieunternehmen „Google“ agiert seit Jahren selbst massiv in diesem Forschungsfeld und hat ähnliche Tools über die Jahre mehrfach präsentiert; anders als OpenAI jedoch nie für die breite Öffentlichkeit freigegeben. Zwanzig neue Produkte aus dem Bereich „Künstliche Intelligenz“ möchten die Entwickler aus Mountain View allein in den nächsten Wochen vorstellen, darunter auch ein Pendant zu ChatGPT.
Die in den letzten Monaten arg gebeutelte Technologieszene setzt also – nicht ganz unerwartet – zu einem neuen Sprung an und vollzieht den Wandel von „Mobile First“ zu „AI First“. Der Wandel kommt dabei nicht unerwartet, da der Google-Boss Sundar Pichai diese Entwicklungsrichtung bereits vor acht Jahren vorgegeben hat. Es brauchte jedoch seine Zeit, da garantiert sein muss, dass die KI-Maschinen fair agieren, also nicht anfällig für Vorurteile und Hass sind und diese reproduzieren – ein bekanntes Problem bei solchen Maschinenlernmodellen.
Chancen von KI für Healthcare-Einrichtungen sehen
Die Möglichkeiten selbst sind atemberaubend und bezogen auf Kliniken drängt sich deren Einsatz geradezu auf, wenngleich noch viel Entwicklungsaufwand nötig ist. Binnen Sekunden bietet ChatGPT Problemlösungen aller Art an. Gefragt nach einem spezifischen Krankheitsbild antwortet die KI mit einer sehr klar formulierten Beschreibung. Das gilt auch bei komplexen Fragen. Das Programm beantwortet problemlos eingetippte Folgefragen, gibt auch Fehler zu, präzisiert bei wiederholten Anläufen seine Angaben und lässt sich eher schwer aufs Glatteis führen.
ChatGPT: Wissensfundus speist sich aus Dateneingabe bis 2021
Eine Schwachstelle ist jedoch, dass auf mache Fragen gelegentlich nur plausibel klingende Antworten gegeben werden. Ungelöst ist auch noch das Thema „Copyright“. Zudem taucht regelmäßig noch der Hinweis auf, dass das KI-System zum gefragten Thema keinen Zugang zu Echtzeit-Informationen aus dem Internet hat; denn es schöpft seine Informationen aus der Dateneingabe, die im Herbst 2021 endete. Damals hatte der Bundesgesundheitsminister noch ein anderes Parteibuch, und das Ende der Corona-Pandemie war noch nicht ausgemacht. Sachverhalte, die danach verbreitet wurden, kommen also nicht vor. Bei dem in den Startlöchern stehenden Konkurrenten von Google wird auch das Kartellrecht und die Sicherung der Privatsphäre als Hürde gesehen.
ChatGPT schafft Zwist vergleichbar mit „Dr. Google“
Wägt man Pro und Kontra ab, so dürften digitale Sprachmodelle auf Basis von KI keine Modererscheinung sein, denn ChatGPT stellt schon in seiner aktuellen Erprobungsphase die klassischen Suchmaschinen in den Schatten; es steckt insbesondere für den medizinischen Bereich sehr viel nutzenstiftendes Potenzial und auch Chancen in den KI-Anwendungen. Und wie bei vielen Themen seit der Einführung von Social Media vor nunmehr 15 Jahren wird es heute nicht zuvorderst darum gehen, ob das einzelne Krankenhaus auf diese Entwicklung aufspringt und digitale Sprachmodellen von OpenAI, Google & Co. für seine Belange einsetzt. Vielmehr werden die in den Kliniken Tätigen mit Patienten und Patientinnen konfrontiert werden, die sich ihr Laienwissen smart kombinieren lassen. Diese „Digital Native“-Patienten und Patientinnen werden plausibel klingende Antworten mitunter nicht hinterfragen, selbst wenn diese unpräzise oder gar falsch sind. Die Ärzteschaft könnte hier ihre Deutungshoheit für medizinische Themen in Gefahr sehen, wenngleich nicht jeder Fragende ein Problem schildert, dessen Darlegung einer Entscheidung zwischen Tod und Leben gleichkommt. Dieser Zwist ist jedoch nicht ganz neu, denn „Dr. Google“ ist nicht erst seit heute die erste Instanz bei Patientenanfragen. Später wird sich das Krankenhaus jedoch aus einer anfänglich passiven Rolle herausbegeben müssen und KI auch in der Kommunikation aktiv einsetzen, denn das medizinische Wissen wird immer komplexer.
Erleichterung für die Klinikkommunikation denkbar
Für die Kommunikation kann das in einem ersten Anwendungsfall beispielsweise bedeuten, dass eine Pressemeldung oder Inhalte für eine Klinikwebsite unter Zuhilfenahme einer Lösung wie ChatGPT in Grundzügen zusammengestellt wird. Das geht schneller als die Frageschleife über den Mediziner einzuschlagen. Diese haben oft wenig Zeit und formulierungssicher sind diese Kollegen nicht zwangsläufig. Freilich muss das Geschriebene – wie sonst im Übrigen auch – gewissenhaft fachlich geprüft werden.
KI als Assistent der Menschlichkeit im Healthcare-Bereich
Abschließend die Gretchenfrage: Wie hält man es mit der Diagnose und Therapie? Wenn eine KI es später vermag medizinische Sachverhalte mit einer so beeindruckenden Qualität zu erklären, werden dann überhaupt noch Menschen benötigt, um Diagnosen zu stellen? Das lässt sich mit einem klaren Ja beantworten. Denn der Patient/die Patientin ist einmalig und die richtige Diagnose sowie die darauf basierende Behandlung sollte dies auch sein. Bei allem Hype um KI wird es voraussichtlich auf ein assistierendes System hinauslaufen, bei dem medizinisches Expertenwissen mit der Maschine interagiert. Die robotische Chirurgie, bei der übrigens auch schon die KI Einzug gehalten hat, macht es vor.
Digitale Sprachmodelle alla ChatGPT werden sich hin zu überaus sinnvollen Tools entwickeln. Um das in diesem Punkt doch eher behäbige und auch ängstliche deutschen Gesundheitswesen jedoch aus der Reserve zu locken, wird dieses allein nicht genügen.
Kontakt zum Autor
Dr. Christian Stoffers, Geschäftsführungsreferat Kommunikation & Marketing, Leiter, Unternehmenssprecher Marien Gesellschaft Siegen, Vorstandsvorsitzender des Zentrums für die Digitalisierung der Wirtschaft Südwestfalen, C.Stoffers@mariengesellschaft.de