Forschungsprojekt Care Regio: digital unterstützte Pflege

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Das Projekt Care Regio in der Modellregion Bayerisch-Schwaben zeigt, wie die Entlastung von Pflegekräften durch die Digitalisierung gelingen kann.

Care Regio
Das Projekt Care Regio aus Bayerisch-Schwaben treibt die Digitalisierung in der Pflege voran. – © Care Regio

„Die Digitalisierung in der Pflege wird immer wichtiger“, betont Prof. Dr.-Ing. Petra Friedrich, Care Regio Gesamtleitung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, im Webinar der HCM Academy am 31. Mai 2022. Grund hierfür seien insbesondere Auslöser wie der Pflegenotstand, die sehr schwere körperliche Tätigkeit und hohe psychische Belastung oder auch der demografische Wandel. „Die Gesellschaft wandelt sich. Wir alle streben ein selbstbestimmtes, längere Leben an“, sagt Friedrich. Um dies zu meistern, sei sowohl die richtige Technik nötig, z.B. in Form assistiver Systeme, als auch die Digitalisierung, die analoge Abläufe in digitalisierte Prozesse überführt. Mit dem Projekt Care Regio entsteht im Regierungsbezirk Schwaben eine Leitregion für digital unterstützte Pflege.

Die Vision, Pflege neu zu denken

Zu Beginn war die Idee hinter Care Regio, das Technische in die Pflege zu bringen und den Auftrag von Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek zu verfolgen: „Pflege neu denken“. Bayerisch-Schwaben soll als Leitregion für digitale Pflege stehen, um andere Regionen ebenfalls davon zu überzeugen und „das Forschungsprojekt in den Regelbetrieb zu bringen“, erklärt Friedrich.

Care Regio ist in sechs Teilprojekte untergliedert:

  1. Teilprojekt: Hier ist das Gesamtprojektmanagement und die Koordinierungsstelle angesiedelt.
  2. Teilprojekt: Harmonisierte Sammlung von Pflegedaten – datenschutzkonform und strukturiert, mit dem Ziel, diese für die Pflegeforschung nutzbar zu machen. So sollen Verbesserungspotenziale identifiziert und quantifiziert werden.
  3. Teilprojekt: Digitalisierung des Pflegeüberleitungsberichtes. Dieser Prozess soll digitalisiert werden, um Daten strukturiert über die Telematikinfrastruktur zu übertragen. Ein Ziel ist u.a. Pflegefachpersonen Zeit zu ersparen
  4. Teilprojekt: Assistive Systeme mit dem Ziel, die Pflegeversorgung zu verbessern durch den Einsatz assistiver Systeme und Lösungen, wie Gehhilfen für Pflegebedürftige oder Hebehilfen für Pflegekräfte.
  5. Teilprojekt: Aufbau eines Pflege-Wiki als Wissensplattform in Form von Open-Access für pflegende Angehörige, Pflegefachpersonen, Auszubildende und Studierende. Zum Wiki hier klicken.
  6. Teilprojekt: Wissenschaftliche Begleitung zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Ergebnisse und ELSI (ethische, rechtliche und soziale Implikationen) zur Überprüfung von Ethik-Anträgen oder datenschutzrechtlicher Freigaben.

Interesse an der Mitwirkung bei Care Regio?

Einrichtungen können eine entscheidende Rolle spielen um digitale Technologien mehr in den Fokus zu bringen. Beispielsweise in Form einer Kooperation mit Care Regio können sie so Neues erproben und erleben. Voraussetzung: Es muss eine Offenheit gegenüber Digitalisierung und Technik da sein. Einrichtungen können sich bei Interesse an Care Regio wenden.

Kontaktmöglichkeiten:

Telefon: +49 831 2523 9245

E-Mail: info@care-regio.de

Internet: www.care-regio.de

Erwartungen und Anforderungen an Assistenzsysteme

Das Teilprojekt vier von Care Regio wird durch die Hochschule Kempten betreut. „Wichtig ist hierbei, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt Friedrich. Technische Lösungen müssten für die Nutzer und Nutzerinnen hilfreich sein, denn „die Hilfsmittel werden sich technisieren, nicht die Pflege an sich“. Durch integrierte Forschung mit den Usern kommt die Technik beim Projekt Care Regio zum Menschen – vom Labor ans Bett. Dazu braucht es auch Tests seitens der Anwendenden und je nach Zielgruppe (Pflegefachperson, Senioren, Angehörige) Anpassungen der Technik. Das Ziel: Lösungen für reale Probleme zu schaffen.

Einige Beispiele an Assistenzsystemen, die im AAL Living Lab (Ambient Assisted Living), einer Lehr- und Forschungswohnung für Gesundheit und Generationen der Hochschule Kempten, im Rahmen von Care Regio entwickelt wurden:

  • Eine Toilette mit integrierten Sensoren kann z.B. den Urin analysieren,
  • Biodynamisches Licht kann den Tag-Nacht-Rhythmus leicht demenziell Erkrankter positiv beeinflussen, oder
  • durch Matten unter dem Boden ist eine Sturzerkennung möglich.

Robotik im Sinne von Assistenzsystemen seien auch denkbar: Saug- oder Wischroboter, aber auch Roboter für komplexere Haus- und Pflegearbeiten. Die Robotik sei allerdings noch nicht so weit, da die Systeme oft sperrig seien. In stationären Einrichtungen gebe es z.B. meist nur eine System pro Station, das in einer Kammer steht und zu lange Rüstzeiten habe. „Außerdem gibt es hohe Ansprüche an die Sensorik“, erklärt Friedrich. „Wo sich z.B. das Gesicht befindet, muss der Roboter erkennen, um dieses waschen zu können“. Die Kosten seien ebenfalls eine große Herausforderung.

Fazit: der Mensch im Mittelpunkt

Diese Technologien sollen die individuellen Bedarfe unterstützen, um möglichst lange zuhause zu leben. Dies entspreche sowohl dem Wunsch der Politik, als auch dem Wunsch der Pflegebedürftigen (Lutze et al. 2021). Pflegefachpersonen sollen möglichst von der Digitalisierung profitieren, indem sie tatsächlichen Nutzen erleben. „Die Technik kann Fürsorge und Selbstständigkeit fördern, aber nicht den Menschen ersetzen“, fasst Friedrich zusammen.