MD Bund zu Behandlungsfehlern Behandlungsfehler: unveränderte Höhe, relevante Dunkelziffer, wachsende Risiken

Zugehörige Themenseiten:
Patientensicherheit

Keine Besserung ist zu erkennen: Die Behandlungsfehlerbegutachtung 2022 des Medizinischen Dienstes (MD) Bund attestiert den Leistungserbringern erneut die gleichen Fehler in ähnlicher Anzahl. Sie stellte in jedem vierten Antragsfall einen Fehler und einen Schaden fest. In jedem fünften Fall war der Fehler die Schadensursache. Die vierstellige Zahl beinhaltet auch 84 Todesfälle. Die klare Botschaft lautet: Es herrscht dringender Handlungsbedarf.

Patientensicherheit Medizinischer Dienst Behandlungsfehler
Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund, und Dr. Christine Adolph, Stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes Bayern. – © Reiter

Im Jahr 2022 erstellte der MD Bund 13.059 fachärztliche Gutachten. Nicht nur ergebe sich aus dieser Zahl der konstatierten Behandlungsfehler im Vergleich mit den Vorjahren keine Verbesserung der Situation, lautete der Tenor bei der Pressekonferenz: Diese aktuelle Jahresstatistik zeige vielmehr nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens.

Hohe Dunkelziffer bei Behandlungsfehlern

Dr. Stefan Gronemeyer betonte in Berlin: „Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist vielfach belegt, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt: Experten gehen davon aus, dass etwa ein Prozent der Krankenhausfälle von Behandlungsfehlern betroffen ist.“ Nur etwa drei Prozent aller unerwünschten Ereignisse würden nachverfolgt, fügte der Vorstandvorsitzende des MD Bund hinzu.

Viele Fachgebiete und unterschiedlichste Eingriffe betroffen

Zwei Drittel aller erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe in der Jahresstatistik bezogen sich auf Leistungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern. Bei einem Drittel ging es um Arztpraxen. „Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe. Da diese häufig im Krankenhaus erfolgen, werden sie dem stationären Sektor zugeordnet“, erläutert Dr. Christine Adolph. Die Vorwürfe betrafen – laut der Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und Leitenden Ärztin des Medizinischen Dienstes Bayern – fehlerhafte Behandlungen bei

  • Hüft- und Kniegelenksverschleiß,
  • Knochenbrüchen,
  • Durchblutungsstörungen am Herzen,
  • Gallensteinen oder
  • Zahnerkrankungen.

Fehler bei chirurgischen Eingriffen seien für Patientinnen und Patienten in der Regel leichter zu erkennen als z.B. Medikationsfehler, weshalb auch eher OP-Fehler vorgeworfen würden, ergänzte Adolph.

Handeln gegen Behandlungsfehler dringend nötig

Um die Patientensicherheit zu verbessern, sollten vermeidbare unerwünschte Ereignisse, die zu schwerwiegenden Schäden bei Patientinnen und Patienten führen können, verpflichtend gemeldet werden. Zu diesen „Never Events“ zählen

  • Patienten- und Seitenverwechslungen,
  • schwerwiegende Medikationsfehler oder
  • unbeabsichtigt zurückgelassene Fremdkörper nach Operationen.

Alljährlich erscheinen diese Schadensereignisse in der Begutachtungsstatistik der Medizinischen Dienste, obwohl die Risiken bekannt sind und geeignete Präventionsmaßnahmen verfügbar wären. Solche Ereignisse zeigten, dass Risiken im Versorgungsprozess fortbestünden und die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort unzureichend seien, hieß es bei der Pressekonferenz. Never Events spielten eine wichtige Rolle für das Erkennen, Umsetzen und Bewerten von Sicherheitsmaßnahmen und kämen daher in vielen anderen Ländern in Form einer Auflistung erfolgreich zum Einsatz für die Prävention.

Es sei an der Zeit, dass auch in Deutschland dies endlich umgesetzt werde, betonten die Referenten. Die geplante Novellierung des Patientenrechtegesetzes biete die Chance, eine verpflichtende nationale Never-Event-Liste einzuführen „und dadurch die Patientensicherheit in der Versorgung zu stärken“, unterstrich Gronemeyer. Die Meldung der Schadensereignisse diene ausschließlich der Prävention und sollte für die Einrichtungen sanktionsfrei und pseudonymisiert erfolgen.

Auswirkungen durch Reform zu erwarten

Die Krankenhausreform werde die Fehlerrisiken erhöhen, da Strukturumbau und Ambulantisierung neue Methoden, andere Geräte und bauliche Veränderungen mit sich brächten. Neben dieser Antwort auf die Frage von HCM war von der Pressekonferenz mitzunehmen, dass Technologie einen Beitrag zur Vermeidung von Fehlern leisten kann. So ermöglichen

  • Systeme zur Unterstützung klinischer Entscheidungen präzise Diagnosen und angemessene Therapiestellungen, und
  • Arzneimittelinformationssysteme gewährleisten Arzneimitteltherapiesicherheit

Kommunikation und Datenaustausch über Behandler und Teams hinweg zählen zu den häufigen Ursachen für Behandlungsfehlern – das belegen Analysen außerhalb der Aktivitäten des MD. Solche Systeme und die elektronische Patientenakte, deuteten die Referenten in Berlin an, könnten daher über Behandler und Teams hinweg die Patientensicherheit verbessern.

Begutachtung durch den MD

Spezielle Teams des Medizinischen Dienstes begutachten Vorwürfe zu Behandlungsfehlern im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen. Die Gutachterinnen und Gutachter gehen dabei der Frage nach, ob die Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard und mit aller Sorgfalt abgelaufen ist. Liegt ein Behandlungsfehler vor, wird geprüft, ob der Schaden, den Versicherte erlitten haben, durch den beanstandeten Fehler verursacht worden ist; nur in diesem Fall bestehen Schadensersatzansprüche. Auf der Basis des Sachverständigengutachtens können die Betroffenen entscheiden, welche weiteren Schritte sie unternehmen wollen. Den Versicherten entstehen durch die Begutachtung keine Kosten.

Welttag der Patientensicherheit

Wichtige Themen wie Behandlungsfehler greift auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) auf. Am 15.9. findet die Auftaktveranstaltung des APS zum Welttag der Patientensicherheit statt – HCM berichtet..