Krankenhausgesetzgebung
Die Corona-Pandemie hat zu Mehrausgaben im Gesundheitswesen geführt. Der Bundesrechnungshof prüft nun mehrere Ausgabenpositionen, u.a. Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser für die Freihaltung von Krankenhausbetten für Covid-19-Patienten und -Patientinnen sowie Bonuszahlungen für den Aufbau zusätzlicher Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit.

In beiden Fällen gelangt der Bundesrechnungshof zu dem Ergebnis, dass Zahlungen an Krankenhäuser möglicherweise zu Unrecht erfolgt sein könnten. So bestünde jedenfalls die Vermutung, dass einzelne Krankenhäuser zu niedrige belegbare intensivmedizinische Behandlungsplätze gemeldet hätten, um die Voraussetzungen zur Erlangung von Ausgleichszahlungen zu erfüllen. Auch sei festzustellen, dass die Zahl der Intensivbetten, die anhand der ausgezahlten Fördermittel rechnerisch vorhanden sein müssten, nicht mit der Zahl der tatsächlich gemeldeten Intensivbetten übereinstimmt. Der vollständige Bericht des Bundesrechnungshofs vom 9. Juni 2021 ist unter folgendem Link abrufbar.
Hintergrund: Krankenhausentlastungsgesetz
Um die medizinischen Kapazitäten zur Behandlung von Covid-19-Patienten und -Patientinnen in den Krankenhäusern zu erhöhen und die wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser abzumildern, hat der Gesetzgeber mit dem Krankenhausentlastungsgesetz im März 2020 verschiedene Maßnahmen eingeführt. Hierzu zählen u. a. die in §21 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vorgesehenen Ausgleichszahlungen. Sie sind Krankenhäusern für Einnahmeausfälle gezahlt worden, die dadurch entstanden, dass bereits geplante Aufnahmen, Operationen und Eingriffe abgesagt und verschoben worden sind, um die Betten für die Versorgung potenzieller Covid-19-Patienten und -Patientinnen freihalten zu können. Zusätzlich haben Krankenhäuser mit Genehmigung der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde für jedes zusätzlich aufgestellte Intensivbett mit maschineller Beatmungsmöglichkeit eine einmalige Zahlung in Höhe von 50.000 Euro pro Bett erhalten (§21 Abs. 5 KHG). Dabei konnte die Aufstockung der Intensivbetten entweder durch Aufstellung neuer, zusätzlicher Betten oder durch Einbeziehung von vorhandenen Betten anderer Stationen erfolgen.
Überprüfung der zweckentsprechenden Verwendung
Gestützt auf den Bericht des Bundesrechnungshofs erwägt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nunmehr eine nähere Überprüfung der auf dieser Basis geleisteten Zahlungen sowie etwaige Kontroll- und Rückforderungsmöglichkeiten. Auf der Internetseite des BMG ist eine deutschlandweite Liste mit Krankenhäusern abrufbar, die Zahlungen nach §21 KHG erhalten haben. Aus dieser Liste geht der exakte Zahlbetrag je Haus hervor. Sollte das BMG zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfen im Einzelfall nicht oder nur teilweise vorlagen oder dass die öffentlichen Gelder nicht für den vorgesehenen Zweck verwendet worden sind, dürften einigen Häusern Rückzahlungen in nicht unwesentlicher Höhe drohen. Immerhin geht es insgesamt um rund 10,2 Milliarden Euro, die allein im Jahr 2020 in Form von Ausgleichszahlungen geleistet worden sind, und weitere rund 686 Millionen Euro für die Schaffung zusätzlicher Intensivkapazitäten.
Zwar sieht §21 KHG als Rechtsgrundlage für die Zahlungen an die Krankenhäuser keine spezifischen Prüfungs- oder Kontrollmechanismen oder etwaige Rückzahlungsansprüche der Länder bzw. des Bundesamtes für Soziale Sicherung vor. Wie bei allen staatlichen Finanzhilfen dürfte es den Ländern aber aufgrund allgemeiner förderrechtlicher Grundsätze möglich sein, eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob aufgewandte öffentliche Mittel auch tatsächlich zweckentsprechend verwendet werden bzw. worden sind. Gerade mit Blick auf den Bericht des Bundesrechnungshofs und die öffentliche Diskussion des Themas sollten Krankenhäuser, die entsprechende Zahlungen erhalten haben, deshalb damit rechnen, in der näheren Zukunft mit Aufforderungen zum Beleg der Anschaffung von zusätzlichen Intensivbetten, Zubehör und/oder Umbaumaßnahmen konfrontiert zu werden.
Risiko für Rückzahlungsforderungen durch die Länder
Kann der Nachweis für eine zweckentsprechende Mittelverwendung von einzelnen Krankenhäusern nicht oder nur teilweise geführt werden, drohen Rückforderungen gewährter Fördermittel. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen gegebenenfalls bestehende Rückforderungsmöglichkeiten sehr genau geprüft und unter Umständen auch durchgesetzt werden. Nach den Informationen in der vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Excel-Datei, aus der pro Bundesland exakt zu ersehen ist, welches Krankenhaus in welcher Höhe Zahlungen nach § 21 KHG erhalten hat, geht hervor, dass in einzelnen Bundesländern bereits Überlegungen hinsichtlich einer Rücknahme von Bewilligungsbescheiden bestehen oder Erstattungsbescheide sogar schon vorbereitet sind. Teilweise scheinen auch schon Widerspruchs- und Klageverfahren anhängig zu sein.
Die Rückforderung von Ausgleichszahlungen und Fördermitteln ist jedoch nicht voraussetzungslos in das Belieben der zuständigen Landesbehörden gestellt. Vielmehr müssen hierzu die Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf des zugrundeliegenden Bewilligungsbescheides gegeben sein. Gerade dann, wenn es um die Gewährung einmaliger oder laufender Geldleistungen geht, spielen dabei auch die Frage des Vertrauens des Begünstigten auf den Bestand der Leistungsgewährung und die Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens eine zentrale Rolle. Auf Vertrauen wird sich freilich nicht berufen können, wer den Bewilligungsbescheid durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Gleiches gilt, wenn die bewilligten Gelder nicht oder nur teilweise für den im Bewilligungsbescheid bestimmten Zweck verwendet werden bzw. worden sind oder Auflagen des Bewilligungsbescheides nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt worden sind.
Weiteres Vorgehen
Jedes Krankenhaus, das Zahlungen nach §21 Abs. 2 oder Abs. 5 KHG erhalten hat, sollte sorgfältig prüfen, welche konkreten Angaben bei der Antragstellung gemacht worden sind, ob sich diese Angaben auch im Nachhinein als zutreffend und vollständig erweisen, ob sie belegbar sind und ob erhaltene Zahlungen nachweislich zu dem vorgesehenen Zweck verwendet worden sind. Dabei sind unbedingt auch der konkrete Inhalt des Bewilligungsbescheides und etwaige Nebenbestimmungen bzw. Auflagen hierzu zu berücksichtigen.
Krankenhäuser, die bereits eine behördliche Aufforderung zur Beibringung von Nachweisen oder sogar einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid, verbunden mit einer Rückforderung oder einer Rückforderungsankündigung erhalten haben, sollten sich in jedem Fall rechtliche Unterstützung suchen. Gegen entsprechende Verwaltungsakte sollte vorsorglich fristwahrend Widerspruch oder Anfechtungsklage (je nach Statthaftigkeit im Einzelfall) eingelegt werden, um die Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme(n) überprüfen zu können.
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Dr. Vanessa Christin Vollmar, Salary Partnerin, Fachanwältin für Medizinrecht und auf die Beratung im stationären Gesundheitswesen spezialisiert, Kontakt: V.Vollmar@taylorwessing.com Dr. Michael Brüggemann, Partner, Experte im Vergabe- und EU-Beihilferecht sowie im Außenwirtschaftsrecht, Taylor Wessing, Kontakt: M.Brueggemann@taylorwessing.com |