Diako Thüringen Arbeitszeitmodelle in der Pflege: Dienstplan per App

Zugehörige Themenseiten:
Fachkräftemangel und Personalentwicklung

Extraprämie beim Einspringen, Dienstplan direkt auf das Smartphone und individuelle Schichten – die Diako Thüringen will Arbeitszeiten in der Pflege neu denken. In Pilotprojekten testet der Träger die innovativen Ideen. Eine kam so gut bei den Mitarbeitern an, dass sie nun für alle diakonischen Einrichtungen in Mitteldeutschland gilt.

Diako Thüringen
Zettelwirtschaft adé: Die Diako Thüringen testet ein intelligentes Diensplanungstool. Alle Mitarbeiter sehen auf dem eigenen Smartphone, wer wann Schicht hat. – © Diako Thüringen

In der Hausgemeinschaft für Senioren „Zur Heiligen Elisabeth“ spicken Mitarbeiter nicht mehr am schwarzen Brett, wer wann Schicht hat. Sie nehmen bequem das Handy zur Hand und öffnen ihre Dienstplan-App. Wer mit wem wann arbeitet wird dort regelmäßig aktualisiert und auch ihre Wünsche geben die Pflegekräfte dort direkt ein. Die Diako Thüringen, Träger der Einrichtung, will 2020 noch weitergehen: Der Algorithmus soll so intelligent sein, dass das System selbstständig alle Mitarbeiter ihren Schichten zuweist.

Karsten Stüber, Prokurist von Thüringens größtem Sozialdienstleister, verantwortete das Pilotprojekt in der Hausgemeinschaft in Creuzberg. Wer das smarte System von Softwarehersteller Geocon testen wollte, musste sich bewerben. Darin liege laut Stüber auch der Erfolg des Projektes, das er gemeinsam mit der Hochschule Fulda durchführte.

 Karsten Stüber
Karsten Stüber, Prokurist der Diako Thüringen. – © Diako Thüringen

Auf der Messe Pflege Plus spricht Karsten Stüber beim HCM-Impulstag live über die Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Projekt.

Hauptkritik: Verlässlichkeit des Dienstplans

Ausgangspunkt war die Frage: Warum entscheiden sich Pflegefachpersonen im Unternehmen zu starten oder eben nicht? Die Sammlung dieser Positiv- und Negativ-Hitliste führten Universitätsmitarbeiter in vertraulichen Interviews mit den Mitarbeitern durch. Das Ergebnis überraschte: Das Hauptärgernis vieler ist nicht der Schichtdienst, sondern die Verlässlichkeit des Dienstplans.

Prämie für Einspringen aus dem Frei

Denn wer aus dem Frei einsprang, erhielt kaum Anerkennung für den Mehraufwand. Heute ist das anders. Eine Einspringprämie von 40 Euro erhält jeder, der spontan kranke Kollegen vertritt. Netto haben die Mitarbeiter so pro Einsatz 20 Euro mehr auf dem Gehaltszettel. Die Idee kam so gut an, dass sie in den Tarifvertrag der Diakonie Mitteldeutschland (AVR EKM) aufgenommen wurde. Auch wenn man klar abgrenzen muss, wann es tatsächlich ein „Holen aus dem Frei“ ist, nehmen die Mitarbeiter die Wertschätzung ihres Arbeitgebers sehr gut an.

Auch beim Dienstplan legte das Forschungsprojekt Potenzial offen. „Wir wollen digital werden und schreiben Dienstpläne an die Wand?“, fragt Stüber. Auch hier will die Diako Thüringen ihre Pflegedienstleitungen künftig mit dem intelligenten Algorithmus der Dienstplan-App entlasten. Zudem entfallen laut Prokurist Unstimmigkeiten, falls sich ein Mitarbeiter benachteiligt fühle. „Der Dienstplan ist ein Machtinstrument, wer ihn erstellt, entscheidet über die Arbeitszeit von Mitarbeitern. Es stellen sich damit neue Qualitäts- und Kulturfragen.“

Eigene Zeitarbeitsfirma löscht Personalbrände

Falls in den Einrichtungen partout nichts mehr geht, springen Mitarbeiter aus der eigenen Personal- und Servicegesellschaft ein. Sie sind die „Feuerwehr“ des Trägers und im Zwei- oder Drei-Wochen-Rhythmus in verschiedenen Einrichtungen. Auch dieses Modell ist für viele Mitarbeiter spannend, z.B. wenn sie ihr Profil in der Pflege schärfen wollen. Aber auch der höhere Lohn (die Gesellschaft agiert außerhalb des Tarifsystems der Diakonie) und die verlässliche Zeitplanung sprechen für eine Arbeit dort.

„Strukturen sind nicht in Stein gemeißelt.“

„Die Strukturen sind nicht in Stein gemeißelt“, sagt Stüber, der projekthaft immer wieder neue Modelle in ausgewählten Einrichtungen testet. „Wir können Themen neu denken. Warum haben wir nur Früh-, Spät- und Nachtdienst?“ So führte das Unternehmen z.B. das Modell aus dem Rettungsdienst mit zwölf Stunden ein. Hier kamen Mitarbeiter bereits nach drei Arbeitstagen auf ihre Wochenstunden und hatten drei bis vier Tage frei. Die jungen Mitarbeiter nahmen es gut an, aber für die älteren war die Belastung zu hoch. Die Einrichtung kehrte zum alten Modell zurück und war zufriedener als vorher. Der Effekt in den Köpfen: Das aktuelle Schichtmodell passt doch ganz gut für unser Team. Auch ein Erfolgsfaktor laut Stüber: „Wir stülpen niemand etwas über und haben das Ergebnis der Tests immer offengelassen.“

Mittlerweile orientiert sich der Träger immer mehr in Richtung individuelle Dienstplanung. Von Mama-/Papa-Diensten ab 7.30 Uhr bis hin zu Dauernachtwachen, die v.a. für Alleinerziehende attraktiv sind. „Dieses Wahlmodell ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich will beim Essen wählen können, bei der Urlaubsplanung – warum kann ich das nicht auch als Arbeitgeber anbieten?“

Weitere Fragen? Auf der Pflege Plus berichtet Karsten Stüber live über die Erkenntnisse aus dem Projekt. Jetzt Tickets sichern.