Tarifvertrag Pflege (TV Pflege) Arbeitsbedingungen von Pflegekräften verbessern

In Deutschland herrscht – regional unterschiedlich – der Pflegenotstand. Nun ist in der Pflege ein branchenweiter Tarifvertrag in Sicht. Kann er den Pflegenotstand lösen?Einen quantitativen Benchmark setzte Gesundheitsminister Jens Spahn, als er einen zukünftigen Mindestlohn in der Pflege von rund 14 Euro/Stunde verkündigte.Als Ursache für den Pflegenotstand werden v.a. die mangelnde Wertschätzung und das Ansehen der Pflege und der Pflegeberufe angeführt. Daneben werden die physisch und psychisch belastende Arbeit, die Schichtarbeit und die regelmäßige Arbeit an Wochenenden sowie die mangelhafte Bezahlung, in der sich auch die gesellschaftliche Wertschätzung für die Arbeit in der Pflege ausdrückt, genannt. Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag Angesichts dieser Situation hat die Bundesregierung eine konzertierte Aktion beschlossen, um die Attraktivität der Pflege zu verbessern, sodass mehr Mitarbeiter für die Pflegeberufe gewonnen werden und der Pflegenotstand gemildert werden kann. Ziel der Bundesregierung ist es, zum 1. Januar 2020 einen Tarifvertrag Pflege (TV Pflege) für alle beruflich Pflegenden allgemeinverbindlich zu erklären (AVE), d.h., dieser gilt verbindlich auch für tariflich nicht gebundene Unternehmen. Die Bundesregierung kann in Deutschland aufgrund des Tarifvertragsgesetzes keinen TV Pflege erarbeiten und anordnen. Laut Tarifvertragsgesetz bedarf es eines Arbeitgeberverbandes, der mit der zuständigen Gewerkschaft einen Tarifvertrag abschließt. Hierzu wurde am 14. Juni 2019 mit der Gründung der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche“ (BVAP) die Basis geschaffen, um Verhandlungen mit der für die Pflegebeschäftigten zuständigen Gewerkschaft ver.di zu führen. Um den Zeitplan der Bundesregierung einzuhalten, braucht es einen rechtzeitigen Abschluss des TV Pflege. Pflichtenheft für den TV Pflege Angesichts der Komplexität eines Tarifwerkes stellt sich die Frage, ob der TV Pflege neu geschrieben wird oder im Wesentlichen eine Kopie des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst (TVöD) für den Bereich Krankenhäuser (TVöD-K) sein und damit dessen Fehler fortschreiben wird. Insbesondere über folgende Inhalte des TVöD-K sollte bei der Verhandlung des TV Pflege nachgedacht werden: Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitmitarbeitern, die bis zur Rente mit 67 Jahren – in Wechselschicht mit Wochenenddiensten – arbeits- und leistungsfähig sein sollen; Stellenwert der Erfahrungsstufen als automatischer Mehrverdienst durch Entgeltstufen ohne Leistungsbezug; individuelles und/oder teambezogenes Leistungsentgelt aufgrund von Leistungsbeurteilungen oder Zielvereinbarungen; Attraktive Zuschläge für Schicht-, Nacht-, Wochenend-, Feiertags- und Mehrarbeit, um die Belastungen der Mitarbeiter zu kompensieren; ausreichend jährlicher Erholungsurlaub, angepasst auf die Schichtsysteme; Stellenwert der tariflichen Altersversorgung; und nicht zuletzt eine Entgelthöhe, die die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten der Mitarbeiter in Stadt und Land berücksichtigt.Von den Tarifverhandlungen dringt wenig nach außen und es ist zu befürchten, dass der TVöD-K – auch mit Blick auf die zur Verfügung stehende Zeit – als Kopiervorlage dient. 14 Euro Mindestlohn je Stunde in der Pflege Einen quantitativen Benchmark setzte Gesundheitsminister Jens Spahn, als er am 5. Juli 2019 einen zukünftigen Mindestlohn in der Pflege von circa 14 Euro/Stunde – anstatt der heute 11,05 Euro/Stunde im Westen und 10,55 Euro im Osten – verkündete. Er lenkte damit die Aufmerksamkeit auf den Stundenlohn und weg von den anderen genannten, für die Mitarbeiter in der Pflege jedoch wichtigen Punkten, die in einem neuen Tarifvertrag bedacht werden sollten. Mit dem genannten zukünftigen Mindestlohn in der Pflege wird kommuniziert, dass es einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn geben wird und keine lokalen Differenzierungen nach den Lebenshaltungskosten. Einführung des TV Pflege in der PraxisDie Einführung eines neuen Tarifvertrages – insbesondere eines neuen Entgeltrahmentarifvertrages – ist für die Unternehmen, die vor und nach der Einführung eines neuen Tarifvertrages bereits einen Tarifvertrag hatten, erfahrungsgemäß eine hohe arbeitsmäßige und finanzielle Belastung. Das gilt umso mehr für die Einrichtungen, die bisher nicht tarifgebunden waren, preiswertere Regelungen der Arbeitsbedingungen hatten und mit dem Tag der Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit des TV Pflege erhebliche Kostensteigerungen zu erwarten haben. Diese sind in dem geregelten Markt der Pflege und v.a. in der Altenpflege nicht ohne weiteres kompensierbar, weil die Refinanzierung i.d.R. für zwei Jahre festgeschrieben ist. Als Alternative bietet sich eine Übergangszeit von z.B. zwei Jahren an, in der die Einrichtung auf den Tarifvertrag umstellen kann. So attraktiv dieser Weg auf den ersten Blick erscheint: Die Mitarbeiter können sich in diesem Zeitfenster einen neuen Arbeitgeber suchen, der den allgemeinverbindlichen TV Pflege schon früher einführt und folglich mehr bezahlt, weil z.B. die Überprüfung und Erhöhung der Pflegesätze früher ansteht. Auswirkungen des TV Pflege Für das Management stellt sich die Frage, was diese Entwicklung für die Unternehmen der Gesundheits- und Pflegewirtschaft ab dem 1. Januar 2020 bedeutet? Die Antwort ist von der Ausgangssituation der Unternehmen abhängig. Krankenhäuser und Pflegeheime, die bereits heute die Entgelte und Arbeitsbedingungen am TVöD-K orientieren, werden wenige bis keine Veränderungen haben. Insbesondere die Unternehmen der ambulanten und stationären Altenpflege, die unternehmensspezifische Entgeltsysteme praktizieren, deren Kosten deshalb heute noch unterhalb denen des TVöD-K liegen, werden mit einer zum Teil erheblichen Erhöhung der Entgelte der Pflegekräfte rechnen müssen. Und das – je nach Dauer der Übergangsphase – sofort oder nach bis zu zwei Jahren, wenn die Refinanzierung gesichert ist. FazitDer TV Pflege wird die Branche finanziell attraktiver machen und für die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft – je nach Abstand zum heute geltenden TVöD-K –mehr oder weniger hohe Mehrkosten verursachen. Deren Refinanzierung muss durch flankierende Maßnahmen wie beispielsweise eine Reform der Pflegeversicherung und/oder eine Veränderung der Fachkraftquote sowie angemessener Übergangsfristen kompensiert werden.

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