Die Kolumne von Eckhard Eyer Arbeitsbedingungen menschengerecht gestalten

In seiner aktuellen Kolumne beschäftigt sich HCM-Kolumnist Eckhard Eyer mit dem Konzept New Work und möglichen Umsetzungsfeldern in der Pflege.

Dipl.-Ing. Eckhard Eyer, Perspektive Eyer Consulting in Ockenfels, Kontakt: info@eyer.de – © Eckhard Eyer

Im Kontext der Corona-Pandemie hören wir in diesen Tagen, dass sich die Zahl der Intensivbetten um circa 4.000 Betten signifikant verringert hat. Ursache für diese Entwicklung ist nicht, wie man vermuten könnte, dass Intensivbetten entsorgt wurden, sondern dass die Pflegefachkräfte fehlen, um an den Intensivbetten die Patienten zu betreuen. Aufgrund der verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen haben die Intensivpflegerinnen und -pfleger „die Abstimmung mit den Füßen vorgenommen“ und ihren Dienst quittiert oder ihre Arbeitszeit heruntergefahren, um nicht auszubrennen. In diesem Kontext lohnt es sich das Konzept New Work zu betrachten und für die Pflege nutzbar zu machen.

Was ist New Work?

New Work ist ein Konzept der Arbeitsorganisation und -gestaltung aus den 1970er Jahren, bei dem der Mensch und seine Bedürfnisse stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Österreicher Fritjof Bergmann entwickelte es in den USA, er fragte sich wie motivierende Arbeit in der Zukunft aussehen sollte. Seine Antwort war das Konzept der New Work, dessen Ziel es war, die Arbeit der Menschen motivierend zu gestalten. Er formulierte dazu folgende zentralen Werte von New Work, der menschengerechten und motivierenden Arbeit:

  • Selbstständigkeit der Mitarbeitenden
  • Freiheit der Mitarbeitenden
  • Teilhabe der Mitarbeitenden an der Gemeinschaft
  • Freiräume für Mitarbeitende um Kreativität zu fördern und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu ermöglichen.

Im Ergebnis bedeutet, das echte Handlungsfreiheit.

Bergmann, geprägt von einem humanistischen Menschenbild, ging davon aus, dass Menschen gerne arbeiten, wenn ihnen ihre Arbeit Freude macht und sie sich in ihrer Arbeit verwirklichen können. Dies ist dann der Fall, wenn sie eine gewisse Selbstständigkeit, z.B. bei der Wahl ihrer Arbeitsmethoden und eine gewisse Freiheit haben (z.B. welche Arbeiten sie innerhalb eines Teams erledigen). Wenn die Mitarbeitende in einem Team arbeiten, erhalten sie auch eine soziale Unterstützung, profitieren von kollegialer Beratung und haben Teilhabe an der Gemeinschaft. Die Freiheit sich kreativ in das Unternehmen, z.B. mit Ideen und Verbesserungsvorschlägen einzubringen ist dabei ebenso wichtig wie die eigene berufliche und persönliche Weiterentwicklung in der Arbeit. Eine echte Handlungsfreiheit nennt Bergmann das und weiß um die Rahmenbedingungen der Arbeit, die Einhaltung der Standards und Qualitätsvorschriften sowie den Schichtdienst.

Das Management der Unternehmen arbeitete mit dem kritischen Professor der University of Michigan zusammen, weil sie in ihren Unternehmen einen hohen Krankenstand und eine hohe Fluktuation hatten und die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zu wünschen übrigließ. Ziel der Unternehmen war es mit der New Work den Krankenstand in den Fabriken zu senken, die Fluktuation zu minimieren und mit einem Team gut eingearbeiteter Mitarbeiter Produkte mit hoher Qualität zu produzieren.

Ausgangssituation für New Work in der Gesundheitswirtschaft gut

Betrachtet man die Ausgangssituation die zum Konzept New Work führte zeigen sich Parallelen zur aktuellen Situation, in der Pflege, die sich schon seit Jahrzehnten abzeichnet. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen einen schönen Beruf mit einer hohen intrinsischen Motivation ergreifen und dann wegen der herrschenden Arbeitsbedingungen – zu denen auch die Vergütung gehört – nicht lange in dem Beruf bleiben. Krankenstand und Fluktuation sind im Vergleich zu anderen Branchen signifikant höher.

Wie New Work gelingen kann

Auf dem Weg zur New Work werden Betroffene zu Beteiligten gemacht. Die Arbeitsbedingungen werden unter Beteiligung der Mitarbeitenden bzw. ihrer Vertretungen erarbeitet und für alle transparent dokumentiert und begründet. Zu denken ist z.B. an Arbeitsabläufe in den Teams und an die Regeln für die Dienstplangestaltung. Diese Regeln sind gerecht zu gestalten, sodass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Wenn es für gewisse Mitarbeitergruppen besondere Regelungen gibt sind die offen zu kommunizieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass einzelne Personen eine „Extrawurst“ bekommen. Der Keim für Konflikte kann so verhindert werden. Wenn die Spielregeln bekannt und nachvollziehbar sind und für Mitarbeitende in entsprechenden Lebensphasen bzw. Lebenslagen besondere Regeln gelten, kann Unzufriedenheit und Demotivation sowie ein dadurch belastetes Betriebsklima verhindert werden. Wichtig ist auch eine angemessene Personalbemessung, damit die Arbeit durch die Menschen lebenslang ausgeführt werden kann. Der Krankenstand und die Fluktuation, aber auch die innere Kündigung, können so minimiert werden.

Gemeinsam erarbeiten – gerecht gestalten – fair anwenden

Die Heuristik „gemeinsam erarbeiten – gerecht gestalten – fair umsetzen“ die für die Arbeitsgestaltung gilt hat sich auch bei Good Pay in vielen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft bewährt. Die Mitarbeitenden fühlen sich durch dieses Vorgehen ernst genommen, sie können ihre Interessen und Bedürfnisse einbringen und auf die betrieblichen Notwendigkeiten zuschneiden. New Work ist eine erfolgversprechende Antwort auf den Pflegenotstand.