Personalentwicklung
… für sich und ihre Patientinnen und Patienten. Zu diesem Ergebnis kommt die Mitgliederbefragung MB-Monitor 2022 des Marburger Bundes. Bundesweit haben mehr als 8.000 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen. Ihr Fazit: Zu wenig Personal, zu viel Bürokratie und unzulängliche Digitalisierung.

Personalabbau, Überstunden, mangelnde Digitalisierung: Die Missstände in deutschen Krankenhäusern sind so groß, dass jede vierte befragte Person der Ärzteschaft einen Jobwechsel in Erwägung zieht. Das zeigt der MB-Monitor 2022, eine Umfrage des Marburger Bundes unter 8.464 angestellten Ärztinnen und Ärzten, durchgeführt vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation.
Jobwechsel-Gedanken in der Ärzteschaft haben mehrere Ursachen
„Der Stress ist dauerhaft zu hoch, durch die immerwährende dünne Personaldecke. Keine Zeit, um auf Patienten tiefer einzugehen. So habe ich mir das Arztsein nicht vorgestellt“, äußert sich einer der Monitor-Teilnehmenden zum Thema möglicher Jobwechsel. Jede vierte befragte Person spielt mit diesem Gedanken, eine Steigerung von drei Prozent im Vergleich zum letzten MB-Monitor. „Frustration schafft Migration“, drückt es Dr. Andreas Botzlar, zweiter Vorsitzender des MB, aus. Die Gründe für die miese Stimmung sind vielfältig. Beispiel Arbeitszeiten: Auch wenn mittlerweile schon 40 Prozent der Befragten unter 30 Stunden angestellt sind, schuften acht von zehn Ärztinnen und Ärzten trotzdem mehr als 40 Stunden pro Woche. Jeder fünfte Behandler berichtet gar von über 60.
26 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Überstunden weder ausgeglichen noch vergütet werden. Bei 25 Prozent wird die erbrachte Mehrarbeit finanziell ausgeglichen, bei 49 Prozent überwiegend über Freizeitausgleich.
Wie hoch ist die tatsächliche Wochenarbeitszeit inklusive aller Dienste und Überstunden im Durchschnitt?
- 5 bis 29 Stunden: 6 Prozent
- 30 bis 39 Stunden: 12 Prozent
- 40 bis 48 Stunden: 25 Prozent
- 49 bis 59 Stunden: 37 Prozent
- 60 bis 79 Stunden: 18 Prozent
- mehr als 80 Stunden: 2 Prozent
Quelle: Marburger Bund/MB-Monitor 2022
25 Prozent denken über einen Jobwechsel nach
Die hohe Anzahl an Überstunden und 24-Stunden-Diensten, der ökonomische Druck seitens der Arbeitgeber und die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie lässt laut Marburger Bund einen Teil der Ärztinnen und Ärzte darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln. Auf die Frage „Erwägen Sie, Ihre ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben?“ antworteten 25 Prozent der Befragten mit „ja“, 57 Prozent mit „nein“ und 18 Prozent mit „weiß nicht“.
Darüber hinaus klagen die angestellten Medizinerinnen und Mediziner über zu viel Verwaltungstätigkeiten. Damit sind täglich 57 Prozent der Befragten mindestens drei Stunden beschäftigt. Ein Drittel hat überdies einen Personalabbau in den vergangenen zwei Jahren, also während der Pandemie, wahrgenommen. Zwei Drittel bezeichnen die personelle Besetzung am Arbeitsplatz als eher schlecht oder schlecht. Kein gutes Zeugnis stellen die Ärztinnen und Ärzte dem Digitalisierungsgrad in ihren Einrichtungen aus. Für 55 Prozent sei dieser (eher) gering.
Wie zufrieden ist die angestellte Ärzteschaft mit der IT-Ausstattung?
- sehr zufrieden: 3 Prozent
- eher zufrieden: 31 Prozent
- eher unzufrieden: 42 Prozent
- unzufrieden: 24 Prozent
Quelle: Marburger Bund/MB-Monitor 2022
Johna fordert eine „echte aktive Krankenhausplanung“
Angesichts dieser Missstände setzt MB-Chefin Dr. Susanne Johna auf die Krankenhaus-Regierungskommission. Ihr Appell: „Wir brauchen eine echte aktive Krankenhausplanung.“ Sie hofft auf ein Ende der DRG-Vergütung. Seit der Ausgliederung der Pflege aus den Fallpauschalen werde nun im ärztlichen Bereich eingespart.
Hauptarbeitgeber der befragten Ärztinnen und Ärzte
- 36 Prozent arbeiten in kommunalen Krankenhäusern
- 19 Prozent in einer Uniklinik
- 15 Prozent in einer kirchlichen Einrichtung
- 16 Prozent unter privater Trägerschaft
- 2 Prozent in anderen stat. Einrichtungen
- 6 Prozent in ambulanten Einrichtungen
- 6 Prozent bei sonstigen Arbeitgebern
Quelle: Marburger Bund/MB-Monitor 2022
DKG: Arbeitssituation aller Beschäftigen soll umgehend verbessert werden
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) äußerte sich direkt auf die aktuellen Umfrageergebnisse des Marburger Bundes und fordert, „die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten in den Kliniken umgehend zu verbessern“. Nach Ansicht der DKG verdeutlichen die Ergebnisse die extremen Belastungen der Mitarbeitenden in Kliniken. Diese betreffe nicht nur die Ärzteschaft. „Wir brauchen echte mutige Reformschritte und verbesserte Rahmenbedingungen für die Arbeit im Krankenhaus. Die Struktur- und Finanzierungsreform und ein Projekt zur durchgreifenden Entbürokratisierung der Arbeit im Krankenhaus müssen schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden. Die Ergebnisse der Umfrage sind absolut nachvollziehbar und sie sind auch ein Ergebnis eines mehr als zehnjährigen Prozesses, in dem die Kontrollbürokratie und die Misstrauenskultur als Instrument des kalten Strukturwandels genutzt werden. Und auch unter der neuen Bundesregierung zeigt sich hier keine Änderung“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.