Gesundheitsdaten Ambulante Routinedaten – wird die Blackbox geöffnet?

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Ambulante Leistungsdaten sind im deutschen Gesundheitswesen für die meisten Stakeholder eine Blackbox. Die Krankenhausreform und die neue Digitalstrategie des Bundes könnten nun Licht ins Dunkel bringen. Und es könnte sogar schnell gehen.

Routinedaten
Lichts ins Dunkel der ambulanten Routinedaten – und das mit der Krankenhausreform? Eine Analyse. – © TechSolution (stock.adobe.com)

Die vierte Stellungnahme der Regierungskommission zur Krankenhausreform offenbarte neben einigen guten Vorschlägen zur Reform der Notfallversorgung vor allem eines: Selbst die sogenannten Experten der Regierungskommission sind blank, wenn es um ambulante Daten geht. Die Zahlen, die in der Stellungnahme präsentiert wurden, waren entweder alt oder nicht detailliert. In der Quellenabgabe auf Seite 4 der Stellungnahme war anstelle handfester Belege unter anderen „Recherche Prof. Dr. Busse“ zu lesen. Mit der vierten Stellungnahme der Regierungskommission verdichten sich allerdings die Anzeichen, dass diese ambulante Blackbox geöffnet wird – vielleicht schon im nächsten Jahr. In der Stellungnahme heißt es dazu auf Seite 16: „…Die Planung soll auf einer verlässlichen Datenbasis, (…) beruhen. Hierfür schlägt die Regierungskommission die Einführung eines GKV-Routinedaten-gestützten Versorgungsmonitorings vor.“

Im Rahmen der Auswertungen für die Notfallversorgung konnte die Regierungskommission „nur“ mit folgenden Zahlen aufwarten.

Notfälle Krankenhaus Fehlallokation
Abbildung 1: Viele sehr wichtige Daten der ambulanten Behandlung sind im Rahmen der Abrechnung bereits erhoben. – © BinDoc/Regierungskommission: Vierte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung

Die Gesamtzahl der behandelten Notfälle aufgeteilt nach Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten (KV). Innerhalb des Krankenhauses konnte eruiert werden, wieviel dieser Notfallpatienten und -patientinnen ambulant und wieviel stationär behandelt wurden. Und zuletzt wurde noch recherchiert wie viele Patienten und Patientinnen offensichtlich in der „falschen“ Infrastruktur behandelt wurden, also Menschen, die eigentlich in einer KV-Notfallpraxis behandelt werden könnten, aber in der Notaufnahme des Krankenhauses behandelt wurden. Diese Zahlen konnten allerdings nicht weiter präzisiert werden, so dass eine Spanne zwischen zehn bis fünfzig Prozent kommuniziert wurde, die aber kaum Aufschluss über die Fehlallokation der Patientenversorgung gibt.

(Routine-)Daten: zentral in der Digitalisierungsstrategie

Wenige Wochen nach der vierten Stellungnahme hat das Gesundheitsministerium die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege publiziert. Als ein strategisches Handlungsfeld wurden die Generierung und Nutzung qualitativ hochwertiger Daten für eine bessere Versorgung und Forschung ausgerufen. Maschinenlesbare Gesundheitsdaten sollen für Forschungszwecke der Wissenschaft und Industrie zur Verfügung gestellt werden. Hierunter fallen sowohl pseudonymisierte Daten aus den elektronischen Patientenakten als auch bereits erhobene Abrechnungsdaten und Daten aus Registern. Alle Daten sollen langfristig miteinander verknüpft werden. Kurzfristig soll laut der Anfang März 2023 veröffentlichten Digitalisierungsstrategie „die Forschungsdatenlandschaft durch die sukzessive Einführung eines Forschungspseudonyms in gesundheitsbezogenen Registern und Routine- und Studiendaten“ gestärkt werden. Routinedaten sollen demnach recht zügig verfügbar gemacht werden.

Warum eine kurzfristige Verfügbarkeit von Routinedaten realistisch ist

Im Gegensatz zum stationären Geschehen existiert bei den niedergelassenen KV-Ärzten noch kein ambulanter Routinedatensatz, der regelhaft an eine offizielle Institution zu Auswertung und Analyse übermittelt wird. Nichtsdestoweniger wäre es keine große Herausforderung einen derartigen Routinedatensatz zu erheben, denn die Daten werden bereits erhoben und teilweise verarbeitet. Es wäre zeitnah möglich die vielen Puzzlestücken, die aktuell vor allem in den Händen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Krankenkassen liegen, zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen. Dies zeigen die Reports der Krankenkassen, die regelmäßig zu spezifischen Themengebieten erhoben werden. Schon der WIdO Versorgungsreport aus 2014 konnte eine umfangreiche Analyse auf Basis von Abrechnungsdaten in Analogie zu stationären Routinedaten aufzeigen. Erhoben wurde die regionale Konsultationsprävalenz für Rückenschmerzen (auf Basis eines definierten Diagnosespektrums).

Ambulante Routinedaten
Abbildung 2: Vorhandene ambulante Daten. – © BinDoc/Abbildung 1: Viele sehr wichtige Daten der ambulanten Behandlung sind im Rahmen der Abrechnung bereits erhoben.

Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, werden viele sehr wichtige Daten der ambulanten Behandlung im Rahmen der Abrechnung bereits erhoben. Diese müssen nur strukturiert zusammengeführt werden, um einen großen Erkenntnisschatz zu heben.

Timing: Wann können wir mit ambulanten Routinedaten rechnen?

Die Stellungnahmen der Regierungskommission sowie die fast parallel veröffentlichte Digitalstrategie deuten darauf hin, dass endlich Musik in das Thema Datenverfügbarkeit kommen kann. Betrachtet man die 4. Stellungnahme der Regierungskommission wird darüber hinaus deutlich, dass die vorhandenen Daten aus dem ambulanten Markt dringend benötigt werden, um die Krankenhausreform besser vorbereiten und steuern zu können. Wenngleich das Forschungsdatenzentrum besser beim statistischen Bundesamt aufgehoben wäre, um nicht noch mehr Verwaltungskosten aufbauen zu müssen, ist positiv anzumerken, dass es seine Arbeit bereits aufgenommen hat. Gemäß der Verordnung zur Umsetzung der Vorschriften über die Datentransparenz sollen nachfolgende Variablen erstmalig im Jahr 2024 für das Berichtsjahr 2023 an das FDZ übermittelt werden.

Variablen Forschungsdatenzentrum
Abbildung 3: Das Forschungsdatenzentrum hat bereits seine Arbeit aufgenommen. Folgende Variablen werden im kommenden Jahr erstmalig übermittelt. – © BinDoc/Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Wir werden bald mehr Transparenz über die Quantität und Qualität der ambulanten Versorgung in Deutschland haben. Das ist wichtig und dringend notwendig, wenn die Gesundheitsreform gelingen soll und mehr hybride Versorgungsmodelle an die Stelle der stationären Kapazitäten treten.

Kontakt zum Autor

Dr. univ./vites Manuel Heurich, CEO BinDoc GmbH, Kontakt: manuel.heurich@bindoc.de