Controlling, Finanzen & Investieren und Klinikmarkt
Energiekrise, Inflation, Personalsorgen und Reformpläne mit möglicherweise drastischen Folgen für die Kliniklandschaft – die Anzeichen einer Insolvenzwelle verdichten sich bundesweit. Die Krise hinter sich gelassen hat das Spremberger Krankenhaus und wird zum Modellbeispiel.
Die Situation der Krankenhäuser in Deutschland ist kritisch und geprägt von zahlreichen Herausforderungen: Die Corona-Pandemie hat die Belastungsgrenze des Gesundheitssystems aufgezeigt und die Mitarbeitenden an ihre Grenzen gebracht. Doch auch abseits der Pandemie kämpfen die Krankenhäuser mit Problemen, die bereits seit Jahren im System brodeln. Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, wie steigende Material- und Lieferpreise, Energiekosten oder die Inflation, bringen das Fass zum Überlaufen. Der Handlungsspielraum für Kliniken verkleinert sich – und auch die Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums werden in absehbarer Zeit keine Abhilfe verschaffen. Hunderte Kliniken, die bereits in finanziellen Schwierigkeiten sind, benötigen jetzt eine Perspektive.
Insolvenzverfahren birgt Chancen
Viele entdecken nun, dass das einst so gefürchtete Insolvenzverfahren tatsächlich Chancen bietet. So ging es auch dem Spremberger Krankenhaus, einem knapp 200-Betten-Haus in Brandenburg. Wie viele andere Kliniken in Deutschland schleppte auch das Spremberger Krankenhaus jahrelang teure Altlasten mit sich, bis die Pandemieauswirkungen die Lage untragbar machten. Der Grund- und Regelversorger beantragte daraufhin im September 2022 ein sogenanntes Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung. Im Zentrum der so eingeleiteten Sanierung stand wie in jedem Insolvenzverfahren die Entschuldung des Trägers, d.h. die Beseitigung der die Krise verursachenden Altlasten. Das Besondere an der gewählten Verfahrensart ist außerdem, dass die Krankenhausführung selbst die Zügel des Verfahrens in der Hand behält. Sanierungsexperten treten beratend in Erscheinung, ein vom Gericht bestellter Sachwalter sichert das Verfahren ab, ohne der Geschäftsführung ins Steuer zu greifen. Das Krankenhaus bleibt handlungsfähig und ist so weiterhin in der Lage, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuhalten. Weitere Vorteile sind:
- Schutz vor Gläubigeranfragen: Das bedeutet, dass die Gläubiger nicht versuchen können, die Vermögenswerte der Klinik zu verkaufen, um ihre Forderungen zu bedienen.
- Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt für drei Monate die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden. Diese Zeit beschreibt das sogenannte „vorläufige Verfahren“ – es dient dazu, das angeschlagene Unternehmen wirtschaftlich zu entlasten, um das nötige Finanzpolster für die anstehende Restrukturierung aufzubauen.
- Neuausrichtung der internen Struktur, soweit erforderlich. Bestehende Vertragsverhältnisse können kraft der Regelungen der Insolvenzordnung mit stark verkürzten Fristen neu gestaltet werden.
- Erstellung eines Zukunftskonzepts für den Standort. Dieses wird im sogenannten Insolvenzplan aufgestellt und zeigt eine Wegrichtung, mit welcher das Krankenhaus plant, sich wirtschaftlich stabil aufzustellen. Dieser Plan wird am Ende des Verfahrens vom Gericht geprüft und bei Einverständnis der Gläubiger beschlossen.
Mitarbeitende sind für den Sanierungserfolg essenziell
Trotzdem: Insolvenzverfahren bei Krankenhäusern stellen eine Herausforderung dar, da sie zur wesentlichen Infrastruktur gehören. Bei einer Insolvenz müssen hier nicht nur wirtschaftliche Herausforderungen bewältigt, sondern gleichzeitig auch die medizinische Versorgung aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund ist das Thema gesellschaftlich wie politisch hoch emotional aufgeladen, schließlich geht es um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Gesellschaft. Patienten und Patientinnen sind besorgt und unsicher bezüglich der Zukunft ihrer Versorgungsleistungen, Mitarbeitende fürchten um ihren Job – insbesondere letzteres macht es Kliniken schwer, in Zeiten enormen Fachkräftemangels qualifizierte Kräfte am Haus zu halten. Dabei sind diese für den Erfolg der Sanierung essenziell.
All diese Faktoren machen das Insolvenzverfahren von Krankenhäusern zu einer komplexen Angelegenheit, die eine gründliche Vorbereitung und besondere Aufmerksamkeit erfordert. Eine sogenannte Fortführungsanalyse wird in der Regel durchgeführt, um zu entscheiden, welche Strategie am besten geeignet ist, um das Krankenhaus zu retten. Dabei werden die verschiedenen Optionen wie Schließung, Fortsetzung des Betriebs oder die Umsetzung eines neuen Versorgungskonzepts sorgfältig geprüft und bewertet.
Spremberger Modell setzt auf Rekommunalisierung
Jedes Krankenhaus ist einzigartig und benötigt ein maßgeschneidertes Sanierungskonzept, das auf seine spezifischen Bedürfnisse und Eigenheiten abgestimmt ist. Das Spremberger Krankenhaus gehörte beispielsweise bis zur Sanierung zu 51 Prozent über einen Förderverein den Mitarbeitenden des Krankenhauses – die übrigen 49 Prozent lagen in den Händen der Stadt. Das Spremberger Konzept setzte auf Rekommunalisierung: Damit die Stadt als Investor für das Krankenhaus auftreten konnte, wurde es von öffentlicher Hand erworben und in kommunale Trägerschaft rücküberführt. Dieser Schritt war notwendig, um das Krankenhaus langfristig zu stabilisieren und den Fortbestand des Krankenhauses zu sichern. Und so wird das Haus nun wie folgt getragen:
- Die Stadt stellte als neue Mehrheitsgesellschafterin mit 80 Prozent der Anteile ein Darlehen in Höhe von 3,75 Millionen Euro zur Verfügung, das die finanzielle Grundlage für den Erhalt des Krankenhauses gab.
- Der Förderverein behält künftig einen Anteil von 20 Prozent.
Anpassung der Medizinstrategie an künftige Anforderungen
Mit Blick auf die Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums war die Ambulantisierung ein wichtiger Bestandteil der Rettungsstrategie. Das medizinische Angebot des Spremberger Krankenhauses wird nun schrittweise angepasst, die ambulante Versorgung durch die Erweiterung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) gestärkt und die krankenhausinternen Prozesse, etwa durch die Einrichtung einer OP-Vorbereitungseinheit, optimiert. Um zukunftsfähig zu bleiben, ist außerdem der Ausbau einzelner, spezialisierter Bereiche geplant, wie etwa der Psychiatrie.
Ein Weg mit erfolgreichem Abschluss, denn die Gläubigerversammlung stimmte am Ende einstimmig für den Insolvenzplan. Es mussten keine Kündigungen ausgesprochen werden, die medizinische Vielfalt des Standortes blieb trotz Veränderungen in ihrem Grundsatz erhalten. So konnte das Haus die eigentlichen Sanierungsschritte in die Tat umsetzen. Das Modell „Spremberg“ zeigt, dass es möglich ist, Krankenhäuser durch die Werkzeuge des Insolvenzrechts zu retten, wenn innovative Strategien angewendet werden. Dabei ist es wichtig, individuelle Lösungen zu finden, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen jedes Krankenhauses abgestimmt sind.
Kontakt zur Autorin/zum Autor
Dorit Aurich Dipl.-Kffr. (FH), Steuerberaterin, Eckert Rechtsanwälte, Fachberaterin für Restrukturierung und Unternehmensplanung, d.aurich@eckert.law
Dr. Mark Boddenberg Rechtsanwalt und Partner Eckert Rechtsanwälte, Fachanwalt für Insolvenzrecht, m.boddenberg@eckert.law