Krankenhauspolitik Änderung der Krankenhausvergütung und -struktur gefordert

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Die AOK spricht sich in einem 32-seitigem Positionspapier für eine grundlegende Vergütungs- und Strukturreform im Krankenhaussektor aus.

Vergütungs- und Strukturreform, Krankenhaus
AOK positioniert sich für eine Vergütungs- und Strukturreform im Krankenhaussektor. – © NIKCOA (stock.adobe.com)
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Mit dem Positionspapier präzisiert die AOK ihre Vorschläge aus dem Programm zur Bundestagswahl mit dem Titel „Neue Nähe“. „In den anderthalb Jahren der Pandemie sind viele grundlegende Struktur- und Finanzierungsprobleme überdeckt worden, die nach der Wahl auf der gesundheitspolitischen Agenda stehen. Der Reformbedarf ist unstrittig und nicht mehr zu übersehen“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Die Vorschläge zielen darauf ab, das Vergütungssystem zu modernisieren und zukunftsfähig zu machen. Eine notwendige Voraussetzung dafür seien Strukturreformen, die die historisch gewachsene Krankenhauslandschaft in Deutschland fit machen für die Zukunft.

Konkret ergeben sich zwei zentrale Forderungen für eine grundlegende Vergütungs- und Strukturreform im Krankenhaussektor :

  1. Die Komplexität des deutschen Krankenhaus- Vergütungssystems zu reduzieren, um medizinisches Personal und Pflegekräfte von bürokratischem Aufwand zu entlasten.
  2. Die Krankenhausplanung dahingehend ändern, dass die Vergabe von differenzierten Versorgungsaufträgen an eine bedarfsgerechte Anzahl von Kliniken gezielt stattfindet.

DRG-System weiterentwickeln und Schwachstellen beheben

Die AOK spricht sich in ihrem Papier dafür aus, das derzeitige Vergütungssystem auf Basis von diagnosebezogenen Fallgruppen (Diagnosis Related Groups, kurz DRGs) weiterzuentwickeln und seine Schwachstellen zu beheben. Unter anderem soll durch ein ausgewogenes Kalkulationsverfahren sichergestellt werden, dass die Leistungen der Kliniken in Zukunft fairer abgebildet werden.

Zugleich müsse das Vergütungssystem einfacher gestaltet werden. „Zuschläge sollte es nur noch in Ausnahmefällen geben – und wenn der Nachweis erbracht ist, dass sie sich positiv auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten auswirken“, sagt Litsch . Durch solche Maßnahmen können die Komplexität und die Überregulierung des Vergütungssystems reduziert werden, um die Belastung von Ärzten und Pflegekräften mit Dokumentationsaufgaben zu senken. Litsch fordert, das DRG-System nicht immer weiter auszuhöhlen und immer neue, manipulationsanfällige Bypass-Lösungen einzuführen, sondern vorhandene Potenziale des Systems zu nutzen. Einzelne Akteure im Gesundheitswesen drängen auf eine weitgehende oder vollständige Selbstkostendeckung – dies lehne die AOK ab. Litsch bestätigt: „Diese Art der Krankenhausfinanzierung hatten wir bis in die 1990er Jahre. Sie hat damals zu aufgeblähten und am Ende unbezahlbaren Strukturen mit oftmals schlechter Behandlungsqualität geführt.“ Das wäre keine sinnvolle Perspektive für die Zukunft.

Erfassung von Pflegeleistungen statt Pflegebudget

Die AOK-Gemeinschaft kritisiert zudem, dass die Leistungen der Pflegeberufe im derzeitigen Vergütungssystem nur unzureichend abgebildet seien. Das seit 2020 angewendete Pflegebudget ziele darauf ab, Pflegekosten zu vergüten, sei aber extrem manipulationsanfällig. Es führe zu zahlreichen Schiedsstellen- und Klageverfahren sowie zu hohen Ausgabensteigerungen, die nicht der Pflege zugutekommen. Die AOK fordert daher, dass die Pflege den ärztlichen Leistungen durch eine systematische Leistungserfassung methodisch gleichgestellt wird.

„Mit einer konsequenten Erfassung der Pflegeleistungen, die aufwandsarm und auf digitaler Basis erfolgen muss, wird eine Kalkulation der tatsächlich anfallenden Pflegekosten möglich – und damit auch eine sachgerechte Vergütung innerhalb der DRGs. Dies ermöglicht eine bessere Sicherung der pflegerischen Qualität für die Patientinnen und Patienten. Und es legt die Basis dafür, dass Pflegekräfte auf wissenschaftlicher Basis mehr Kompetenzen im Krankenhausalltag erhalten“, sagt Litsch.

Investitionskosten finanzieren

Ein „dauerhaftes Ärgernis“ sei die mangelnde Finanzierung der Investitionskosten durch die Bundesländer, betont Litsch. „Wir haben uns fast daran gewöhnt, dass Kliniken notwendige Investitionen aus den DRG-Erlösen querfinanzieren oder am Pflegepersonal sparen.“ Die AOK fordert in ihrem Positionspapier , dass die Bundesländer die Finanzierung der Investitionskosten auf das erforderliche Niveau anheben und bei notwendigen Strukturveränderungen vom Bund finanziell unterstützt werden.

Vergabe differenzierter Versorgungsaufträge

Voraussetzung für die Pläne zur Reform der Vergütung sind grundlegende Strukturreformen. Ziel ist dabei die Verbesserung der Versorgungsqualität durch die Zentralisierung spezialisierter stationärer Leistungsangebote an dafür geeigneten Standorten. Zur Umsetzung erhalten die Krankenhäuser zukünftig einen klar definierten Versorgungsauftrag von den Ländern, der die Grundlage für die Art der Leistungserbringung, das Budget und die Abrechnung ist. Basis sind Leistungsgruppen mit Qualitätsvorgaben, die für die Planung und Vergabe von Versorgungsaufträgen auf der Landesebene genutzt werden. Diese muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) definieren.

Krankenhäuser, die für die bedarfsgerechte stationäre Versorgung nicht mehr benötigt werden, sollen bei Bedarf in Gesundheitszentren umgewandelt werden, die Teile der ambulanten Versorgung übernehmen. „Diese Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung bietet viele Vorteile für die Patientinnen und Patienten – und als weiterentwickelte Gesundheitszentren haben viele kleine Kliniken gerade in ländlichen und strukturschwachen Regionen weiterhin eine Existenzberechtigung“, erklärt Litsch.

Die Planung der Versorgung und die Vergabe der Versorgungsaufträge für die ambulante Versorgung sollte auf Landesebene durch sogenannte 3+1 Gremien erfolgen – also durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung, die Landeskrankenhausgesellschaft, die Krankenkassen und mit Beteiligung des jeweiligen Landes.

Mit Zentralisierung Krisen bewältigen

Die Pandemie habe gezeigt, dass eine Zentralisierung von Krankenhausleistungen für die Bewältigung von Krisensituationen von Vorteil sei, konstatiert Litsch. Große und spezialisierte Kliniken könnten den Herausforderungen einer Pandemie besser begegnen, weil der Erfahrungsgewinn hier schneller möglich sei. Bezüglich der Finanzierung sieht die AOK im Krisenfall die Krankenkassen für die Bezahlung der Krankenhaus- und Patientenbehandlung in der Verantwortung. „Die Leerstandsfinanzierung ist dagegen Teil der Daseinsvorsorge und damit Aufgabe der Bundesländer“, sagt Litsch.