OLG Karlsruhe Abtretungsverbot in Behandlungsverträgen unwirksam

In Behandlungsverträgen mit Privatpatientinnen und -patienten werden gerne Abtretungsverbote vereinbart, um Rechtsstreitigkeiten über das ärztliche Honorar mit privaten Krankenversicherungen zu vermeiden. Was es hierbei zu beachten gilt. Aktuell hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit einem solchen Abtretungsverbot beschäftigt und es als unwirksam eingestuft. Die Abtretungsverbote, die in der Praxis vereinbart werden, stellen in aller Regel allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar. Dabei handelt es sich nach der gesetzlichen Definition um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Es handelt sich also um vorgegebene Vertragsbedingungen, die zwischen den Vertragsparteien nicht im Einzelnen ausgehandelt sind, sondern vom Verwender der AGB vorgegeben werden. Daher sind auch vorformulierte vertragliche Abtretungsverbote, die nicht mit den einzelnen Patientinnen und Patienten ausgehandelt, sondern allen Privatpatienten einfach zur Unterschrift vorgelegt werden, regelmäßig AGB. Den Patientinnen und Patienten kommt nämlich insoweit keine Wahl- oder Beeinflussungsmöglichkeit in Bezug auf den Inhalt zu. AGB sind dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Außerdem sind überraschende oder intransparente Klauseln unwirksam, sowie Klauseln, für die es zugleich eine individuelle Abrede gibt. Strittiges Abtretungsverbot im Behandlungsvertrag In dem Streitfall vor dem OLG Karlsruhe legte der Arzt einer Patientin Behandlungsverträge vor, in denen es u.a. hieß: „Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung/Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet.“ Der Arzt nahm mehrere Eingriffe an der Wirbelsäule vor und stellte diese in Rechnung. Die Patientin bezahlte die zwei Rechnungen und reichte sie bei ihrer Versicherung ein. Diese erstattete die bezahlten Beträge nur anteilig in dem von der Versicherungspolice gedeckten Umfang und machte in der Folge wegen der erstatteten Beträge Rückforderungsansprüche gegen den Arzt geltend. "Laut § 305c BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der AGB zu Lasten des Verwenders." Anna Stenger OLG wertet Abtretungsverbot als „überraschende Klausel“ Mit Urteil vom 17. Augst 2022 (7 U 143/21) entschied das OLG, dass das vereinbarte Abtretungsverbot der AGB-Kontrolle nicht standhält und somit unwirksam ist. Das Abtretungsverbot stellt sich als überraschende Klausel i.S.d. § 305c BGB dar, erklärte das OLG. Überraschend war das Abtretungsverbot insoweit, als es sich nicht allein auf die zuvor ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen bezogen hat, sondern auf alle Forderungen aus der letztlich zu stellenden Rechnung und damit auch auf weitergehende Leistungen, die ggf. kurzfristig oder anlassbezogen notwendig werden (etwa wegen Komplikationen i.R.d. Operation). OLG wertet so weitreichendes Abtretungsverbot als nachteilig Mit einem so umfassenden Abtretungsverbot muss ein verständiger Patient aber nicht rechnen, entscheid das OLG. Nachdem die Tragweite dieses Abtretungsverbots für durchschnittlich verständige Patientinnen und Patienten nicht ersichtlich gewesen sei und ein expliziter Hinweis auf diese nicht erfolgt ist, stelle sich die Klausel als überraschend dar. Zudem benachteiligen die Klauseln die Patientin unangemessen nachteilig, weil für Patientinnen und Patienten anders als für Ärzteschaft oder private Krankenversicherungen durch die fehlende Sachkunde nicht zu beurteilen sei, ob lediglich die Erstattungsfähigkeit der ärztlichen Leistung fehlt oder die ärztliche Leistung zu Unrecht abgerechnet worden ist. Damit war das Abtretungsverbot im vorliegenden Fall nicht wirksam vereinbart worden. Ob Abtretungsverbote aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Forderungsübergangs (§§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG) auf die private Krankenversicherung überhaupt vertraglich wirksam vereinbart werden können, ist umstritten und nach wie vor nicht höchstrichterlich geklärt. Auch das OLG Karlsruhe ließ diese Frage offen. Abtretungsverbot juristisch sorgfältig ausformulieren Trotz der ungeklärten Frage der grundsätzlichen Wirksamkeit solcher Vereinbarungen, können mit Patientinnen und Patienten vertragliche Abtretungsverbote vereinbart werden. Das kann trotz der Rechtsunsicherheit durchaus sinnvoll sein, um im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Klagebefugnis einer privaten Krankenversicherung in Zweifel zu ziehen. Allerdings zeigt diese Entscheidung, dass solche vertraglichen Abtretungsverbote juristisch sorgfältig formuliert werden müssen, um einer AGB-Kontrolle standzuhalten und nicht als überraschend oder unangemessen benachteiligend eingestuft zu werden. Kontakt zur Autorin: Anna Stenger, LL.M., Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, Lyck + Pätzold healthcare.recht, stenger@medizinanwaelte.de

OLG Karlsruhe Abtretungsverbot in Behandlungsverträgen unwirksam

Reimbursement im Überblick

Digitale Gesundheit von A bis Z

Themenwelt Pflege: Alles im Blick

Kostenloser Newsletter