Krankenhäuser und Kommunalpolitik Abhängigkeit oder Kooperation?

Fusionen im öffentlichen Krankenhaussektor stehen immer öfter ganz oben auf der kommunalpolitischen Agenda. In vielen Fällen mangelt es den Kommunen jedoch an dazu notwendigem Know-how. Zum Leid der Krankenhäuser.Die Abhängigkeiten zwischen öffentlichen Krankenhäusern und der zuständigen Kommune sind gegenseitig. Dabei gilt: Je größer die Abhängigkeiten, desto schwieriger die wirtschaftliche Sicherstellung der Krankenhäuser.Abhängigkeit oder Kooperation? Wenn Entscheidungen über Kooperationen zwischen Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft zu treffen sind, kann man auf zweierlei Weise vorgehen: Man kann zuerst die neuen Strukturen, die entstehen sollen, auf Arbeitsebene planen und prüfen und danach die politische Entscheidung für oder gegen eine Kooperation treffen. Oder man trifft zuerst die grundsätzliche Entscheidung für eine Zusammenarbeit (Kooperation, Fusion) und überträgt dann den Auftrag für die Planung und Durchführung an die Arbeitsebene. Der zweite Weg wird von der Kommunalpolitik häufig beschritten. Oftmals ist der politische Konsens unter den Parteien oder auch innerhalb der führenden Partei zwischen Kreis und Kommune schwierig genug herzustellen. Eine genaue Kenntnis der wirtschaftlichen oder organisatorischen Realitäten würde die Entscheidung noch verkomplizieren und erschweren, v.a. aber noch weiter hinauszögern. Wird dieser Weg beschritten, sind die Akteure zum Erfolg „verurteilt“. Aus der Industrie und anderen Sektoren der Wirtschaft weiß man, dass 60 bis 80 Prozent, also die Mehrzahl der Zusammenschlüsse und Fusionen, scheitern. Im Gesundheitssektor ist dies nicht anders. Häufig ist zu beobachten, dass nach der getroffenen Entscheidung die Entwicklung stagniert, schleppend vorangeht oder ganz und gar keine Vorteile bringt. Wie verhält es sich mit dem anderen Weg? Hier werden zunächst die Akteure der Arbeitsebene eingeschaltet oder beauftragt. Am besten ist es, wenn die Akteure von sich aus das Gespräch suchen und Kooperationen auf Gebieten einleiten, auf denen man nicht konkurriert: z.B. im gemeinsamen Einkauf, in der gemeinsamen Nutzung von Arbeitsressourcen (Fachkräfte, Fachunternehmen), im Bereich Unterstützung und Support. Diese Form der Zusammenarbeit schafft Vertrauen und benötigt nicht einmal einen Kooperationsbeschluss der verantwortlichen Politiker, weil nur Einkaufs- und Unterstützungsstrukturen geändert und verbessert werden. Mit diesen Maßnahmen wird noch keine strukturelle Veränderung in der Behandlung oder Versorgung der Bevölkerung vorgenommen. Allerdings wird das gegenseitige Kennenlernen befördert. Vertrauen wird geschaffen und damit die Grundlage für weitergehende Kooperationen und Fusionen gelegt, die ohne gegenseitiges Vertrauen chancenlos blieben. Auf dieser Vertrauensbasis lässt sich aufbauen. Der nächste Schritt ist dann die Planung und Prüfung zukünftiger Strukturen. Nach diesem Meilenstein kann die Politik dann über die Kooperation oder Fusion fundiert entscheiden. Die Akteure auf der Arbeitsebene kommen nicht mehr unter Druck, weil viele Probleme vorab bedacht und aus dem Weg geräumt werden können. Wird zunächst die politische Entscheidung getroffen, entstehen über Nacht Fragen und Probleme, die umgehend gelöst werden müssen. Das Nachdenken kommt dann bei vielen Kooperations- und Fusionsvorhaben oftmals zu kurz, weil den Akteuren auf der Arbeitsebene die Zeit dafür fehlt. Das Tagesgeschäft, die neue Situation verschlingen schneller die zeitlichen Ressourcen, als der Arbeitstag sie zur Verfügung stellen kann. Kirchturmpolitik Ein weiteres Problem ist darin zu sehen, dass Kommunalpolitiker es oftmals als ihre Aufgabe ansehen, nur für ihre „Klientel“ sorgen zu müssen: ihren Landkreis, die Bewohner ihrer Stadt - eine Form der „Kirchturmpolitik“, die nur so weit schaut, wie man vom eigenen „Kirchturm“ aus ins Umland schauen kann. Oftmals bleiben selbst regionale Aspekte außer Acht, wenn politische Grenzziehungen (Landkreisgrenze oder Stadtgrenze) Vorrang haben. Solche kommunalen Grenzziehungen hindern sogar Parteifreunde an der Zusammenarbeit, verhindern gemeinsame Beschlüsse und führen zu parteiübergreifendem Konsens hinsichtlich der eigenen kommunalen Interessen. Auf Basis dieser Haltung ist eine grenzüberschreitende Kooperation fast nicht möglich, selbst bei gleichen öffentlichen Trägern. Wie viel schwerer ist die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern unterschiedlicher Träger, z.B. öffentliche und freigemeinnützige. Auch in dieser Situation ist es hilfreich, nicht erst eine politische Entscheidung zu forcieren, sondern sich zunächst planerische Gedanken über eine mögliche neue und verbesserte Struktur der Versorgung in der (Groß-)Region zu machen: Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich durch die Kooperation? Wo lassen sich neue Schwerpunkte bilden? Was lässt sich nicht nur anders, sondern besser machen? Abhängigkeiten Die Abhängigkeiten zwischen Krankenhaus und Kommune sind gegenseitig. Je größer die Abhängigkeiten, desto schwieriger die wirtschaftliche Sicherstellung der Krankenhäuser. Die Kommunalpolitik ist abhängig vom Erfolg der Krankenhäuser. Geht es den Häusern schlecht, so erleben die Politiker die Kritik von Seiten der Öffentlichkeit: Bürger und Medien schelten und das Wahlvolk verweigert seine Zustimmung. Erstaunlicherweise ist nicht „Verlust“ oder „Millionennachzahlung“ das Reizwort, sondern „Schließung“. Dagegen kann man nur mit Aufklärung arbeiten. Es ist hilfreich, neue Konzepte zu entwickeln und deren Vorteile deutlich zu machen und dabei der Bevölkerung klar-zumachen, dass Millionenverluste Nachteile in der Versorgung nach sich ziehen, die eine gut geplante neue Struktur vermeiden kann. Die öffentlich geführten Krankenhäuser sind abhängig von der Politik. Der Zwang, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, widerstreitet mit dem Anspruch, Teil der kommunalen Verwaltung zu sein, eine „öffentliche Einrichtung“, deren Hauptzweck es ist, die Versorgung sicherzustellen. Je größer die Einflussnahme der Politiker auf das wirtschaftliche Handeln oder das therapeutische Konzept des Krankenhauses ist, desto schwieriger ist es für die Führungskräfte, wirtschaftlich tragfähige und zukunftsorientierte Konzepte zu entwickeln oder umzusetzen. Hier bestimmen dann letztlich Laien des Krankenhausbetriebes aus möglicherweise durchaus ehrenwerten politischen Motiven über die wirtschaftlichen und organisatorischen Maßnahmen, die von Seiten der Krankenhausleitungen ergriffen werden müssen. Krankenhäuser können sich nur wirtschaftlich gesund entwickeln, wenn die Kommunalpolitik die Rahmenbedingungen formuliert, die, eingebettet in die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, der Krankenhausleitung die Möglichkeit einräumen, Vision, Mission und Strategie zu formulieren und operativ umzusetzen. Fazit Noch immer wird das Führen öffentlicher Krankenhäuser von der Kommunalpolitik als wichtigste Aufgabe gesehen, als Kern der Daseinsvorsorge - und als Hauptmöglichkeit, sich zu profilieren. Aber welcher Kommunalpolitiker ist im Management sozialer Einrichtungen ausgebildet? Wer sieht über die Eigeninteressen hinaus das Gemeinwohl? Gemeinwohl bedeutet doch, Strukturen aufzubauen und zu befördern, die eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung ermöglichen. Die ist nicht automatisch durch den Erhalt alter Strukturen gegeben. Oftmals erreicht man mehr, wenn man dem Wandel Raum gibt. „Loslassen“ ist eine schwierige Aufgabe. Es ist notwendig, den Anderen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Aber „Loslassen“ gibt auch neuer Kreativität Raum, gibt neuen Kräften Auftrieb und Bahn. Und der Abglanz des Erfolgs kann auch die Kommunalpolitik in ein neues Licht tauchen.

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