Digitalisierung 6 Best Practices für KHZG-Ausschreibungen

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Digitalisierung und KHZG

Am 29. Oktober 2020 ist das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft getreten. Seitdem geht ein Digitalisierungsruck durch die deutsche Krankenhauslandschaft. Sechs Best Practices geben Hilfestellung für künftige Ausschreibungen.

KHZG Fördertatabestand
KHZG-Ausschreibung: Die Krankenhäuser müssen festlegen, was sie im Rahmen eines Fördertatbestandes langfristig erreichen möchten. – © HNFOTO (stock.adobe.com)

Motiviert von der Dynamik im Markt und der finanziellen Unterstützung durch Bund und Länder, führt der Großteil der Krankenhäuser erstmals KHZG-Ausschreibungen durch, was Personal und Infrastrukturen zuweilen vor große Herausforderungen stellt. Denn: bei der Verwendung von KHZG-Mitteln findet die Vergabeordnung mit sehr komplexen Vorgaben Anwendung .

Zeitlichen Rahmen bei KHZG-Ausschreibungen beachten

Mit der Pflicht zur Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben bis Ende 2024 besteht zeitlicher Druck, da sonst nach aktuellem Stand Sanktionszahlungen drohen.

Dies sind die sechs Best Practices für KHZG-Ausschreibungen mit den Erfahrungswerten aus mehr als 20 Ausschreibungen:

  1. Nutzung von Einkaufsgemeinschaften
    Einkaufsgemeinschaften wie z.B. prospitalia, AGKAmed oder clinicpartner übernehmen einen Großteil der Arbeit, die Krankenhäuser sonst durch externe Dienstleister wie Unternehmens- oder Rechtsberatungen separat beauftragen müssten. Diese treffen auch eine Vorauswahl bereits qualifizierter Anbieter. Das ausschreibende Krankenhaus kann dann einen standardisierten Anforderungskatalog nutzen, um in einem schlanken Prozess die Leistung KHZG-gerecht zu beschaffen.
  2. Mut zu State-of-the-Art-Technologie
    Aus Angst vor Fehlern wird in Ausschreibungen oft das bestellt, was bereits bekannt oder im Krankenhaus etabliert ist. Deutlich wird das z.B. bei der Forderung nach “on-premise” gehosteten Lösungen, also die Installation von Servern und Software in den Räumlichkeiten der Klinik, obwohl dies keine rechtliche Pflicht darstellt. Grundlage der Forderung ist oft die Annahme, dass die Software einfacher zu warten ist und Daten in diesem Setup sicherer sind, da alles vor Ort zugänglich ist. Jedoch ist meist das Gegenteil der Fall: Software-as-a-Service(SaaS)-Anbieter nutzen für ihre Lösungen zertifizierte Server in Europa, die datenschutzkonform sind, rund um die Uhr bewacht werden und auf das Hosting medizinischer Daten spezialisiert sind. Dieses Level an Sicherheit ist für Krankenhäuser on-premise so gut wie unmöglich umzusetzen. Auch die Wartung der Software und die Einspielung von Updates und neuen Features läuft bei SaaS-Lösungen automatisiert im Hintergrund ab. Eine Terminvereinbarung mit externen Technikern und Wartung durch diese wird dadurch überflüssig werden. Viele Anbieter haben in den letzten Jahren innovative Lösungen mit modernen Benutzeroberflächen und spezialisierten Systemen gelauncht, die teilweise bessere Workflows ermöglichen als einfache Erweiterungen des bestehenden Krankenhausinformationssystems (KIS). Es lohnt also, während der Markterkundung einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und eine DSGVO-konforme Lösung auszuschreiben, die technologisch den meisten Mehrwert liefert.
  3. Fokus auf Umsetzungskompetenz
    Im noch jungen Markt der Patientenportale überbieten sich aktuell viele Hersteller mit den versprochenen Leistungen, tatsächlich überprüfbar ist dies selten. Wichtig ist es also, die tatsächliche Umsetzungsfähigkeit der Hersteller zu überprüfen und zu hinterfragen. Die Einführung digitaler Innovationen gelingt nur mit einem erfahrenen Projektteam. Zusätzlich sollte die finanzielle und personelle Leistungsfähigkeit ausreichend sein, um auch in schwierigen Situationen den Erfolg des Projektes beim Kunden sicherzustellen. Wichtige Kriterien wie z.B. ausreichende und transparente Umsätze, Anzahl der Mitarbeitenden oder Profile von Schlüsselpersonal können während des Teilnahmewettbewerbs dafür genutzt werden.
  4. Bündelung von Leistungen entlang der offiziellen KHZG-Anforderungen
    Viele Krankenhäuser teilen die einzelnen KHZG-Fördertatbestände in Lose auf, um z.B. den besten Anbieter für jedes einzelne Paket auszuwählen. Das Portal sollte aus Patientenperspektive idealerweise Ende-zu-Ende betrachtet werden. Wenn mehrere Lose gewünscht sind, wäre es sinnvoll, diese Lose entlang der allgemeinen KHZG-Logik aufzuteilen, um trotzdem ein hohes Maß an Standardisierung zu erreichen. Empfehlenswert wäre hier u.a.
    – Fördertatbestand 2 – Patientenportal:
    a) Aufnahmemanagement
    b) Behandlungsmanagement
    c) Entlassmanagement
    Viele Anbieter richten ihr Angebot nach den offiziellen KHZG-Kriterien und -Aufteilung aus. Verwenden Kunden die gleiche Sortierung, können Bietende ihre Lösungen zum besten Preis und in der optimalen Qualität ins Rennen schicken. Ansonsten müssten für den jeweiligen Auftraggeber Sonderlösungen entwickelt werden, was in der Regel zu weniger Wettbewerb, höheren Preisen und längeren Umsetzungszeiten führe.
  5. Volle Preistransparenz einfordern
    Manchmal ist es für den Auftraggeber schwierig sicherzustellen, dass im Angebot alles enthalten ist, was er wirklich benötigt – und auch im Preis enthalten ist. Hier besteht das Risiko, dass Zusatzleistungen wie
    – vollständige Umsetzung,
    – Kundensupport nach der Einführung oder
    – SMS-Kosten für Terminerinnerungen
    nicht oder nur unvollständig im Angebotspreis enthalten sind oder extra bepreist werden. Erfolgskritische Komponenten wie die telefonische Erreichbarkeit der Supportmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie vorab festgelegte Service Level Agreements sollen unnötigen Ärger nach der Vertragsunterschrift vermeiden.
  6. Nicht in Muss- und-Kann-Kriterien denken, sondern nachhaltige Mehrwerte ausschreiben
    Anstatt nur Muss- und Kann-Kriterien abzufragen, wird den Krankenhäusern nahegelegt, sich zu überlegen, was sie im Rahmen eines Fördertatbestandes langfristig erreichen möchten. Das KHZG sollte nicht nur als IT- oder Compliance-Projekt verstanden werden, sondern benötigt Input von der Krankenhausleitung, u.a. zu diesen Fragen:
    – Wie steht das Krankenhaus im Markt da?
    – Was sind die größten Herausforderungen?
    – Und am konkreten Beispiel des Patientenportals: Geht es nur darum, den Fördertatbestand 2 zu erfüllen und den Patientinnen und Patienten einen guten Service zu bieten?
    Oder geht es auch darum, mithilfe des Portals
    – neue Patientinnen und Patienten zu gewinnen,
    – Netzwerke in der Region auszubauen,
    – Kosten zu reduzieren oder
    – die Nutzung von Zusatzleistungen zu erhöhen?

Wenn dies der Fall ist, dann sollten auch diese Anforderungen in der Ausschreibung zu finden sein. Viele Kriterien lassen sich schnell und handfest überprüfen. Wenn das Krankenhaus beispielsweise über das Patientenportal den Zugang zu mehr Patientinnen und Patienten erhalten möchte, kann es sich über die aktiven Patientinnen und Patienten in den Portalen der Anbietenden informieren lassen. Wenn bereits bekannt ist, dass die meisten der zu behandelnden Menschen über Zuweiser in das Krankenhaus kommen, dann sollte darauf geachtet werden, dass eine Kompatibilität der Lösung mit dem niedergelassenen Sektor besteht.

Krankenhausstudie: Verschlechterung der Situation von Kliniken

Das KHZG ist eine Chance für Krankenhäuser, die Verpflichtung zur Digitalisierung und die zur Verfügung gestellten Fördermittel zu nutzen, um die bestehenden Herausforderungen anzugehen. Neben sinkenden Fallzahlen und einem bereits vorherrschenden Fachkräftemangel, steht auch das Thema Wirtschaftlichkeit für Krankenhäuser in den kommenden Jahren ganz oben auf der Agenda. So gehen laut der aktuellen Krankenhausstudie von Roland Berger (Roland Berger 2022) 96 Prozent der Befragten von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation von Kliniken in Deutschland innerhalb der nächsten fünf Jahre aus.

In der Rolle der Auftraggeber empfiehlt es sich generell, bei der Ausschreibung kritisch zu hinterfragen und die wichtigsten Punkte für das eigene Krankenhaus bei der Fülle der Anbietenden und Angebote nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Fördermittel geben einen richtigen und wichtigen Impuls für eine digitale Gesundheitsversorgung und sollen dabei helfen, sinnvolle Setups anzustoßen und zu incentivieren.

Literatur

Roland Berger: https://www.rolandberger.com/de/Insights/Publications/Pandemie-und-Personalmangel-bringen-Deutschlands-Kliniken-in-Existenznot.html [14.09.2022]

Kontakt zur Autorin

Alexandra Diers, Head of Key Accounts Hospitals Doctolib, Kontakt: alexandra.diers@doctolib.com